Wohnen wie ein Herzog

von Redaktion

Bayerns längste Burganlage Burghausen: Hier leben rund 50 Mieter in Mittelalter-Atmosphäre

Burghausen – Burghausen ist nicht nur irgendeine von geschätzt rund 2300 bayerischen Burgen, sondern mit ihren 1051 Metern die längste Burganlage der Welt. Und noch heute wird hier gewohnt. An die 200 Menschen leben hier oben, meist als Mieter, in einer von rund 50 heiß begehrten Wohnungen.

Einer von ihnen ist Klaus Godzik. „Natürlich will ich hier nie wieder weg“, sagt der 78-Jährige und lacht. „Ich fühle mich pudelwohl.“ Vor 37 Jahren erhielt der Physiker als Mitarbeiter von Wacker Chemie die Gelegenheit, in die damalige Werkswohnung einzuziehen. Seitdem fühle er sich oft ein bisschen wie ein Herzog, sagt er schmunzelnd.

Auch wenn Godzik nicht wie die Wittelsbacher in der Hauptburg der Anlage residiert, sondern „nur“ in der ehemaligen Rentschreiberei. Das ist sozusagen das ehemalige Finanzamt der Wittelsbacher – ein stattlicher Bau, mit einem Dutzend Räumen auf zwei Stockwerken, einem Rundturm, einem prächtigen Gewölbe mit Schlussstein und eineinhalb Meter dicken Wänden rundrum. „Die sind aus Tuffstein und geben nicht nur den Räumen ein einmalig gesundes Wohnklima, sondern auch ein Gefühl totaler Geborgenheit“, sagt Godzik. „500 Jahre haben diesen starken Wänden und Mauern nichts anhaben können – dass muss man sich mal überlegen“, schwärmt er. „Was soll einem hier schon widerfahren?“ Godzik lobt die architektonische Schönheit, die meisterliche Arbeit der damaligen Steinmetze und wie die Zimmerleute die Giebel der mächtigen Eichenbohlen im Dachstock ineinanderfügten und verschränkten – nur mit wenigen Holznägeln zusätzlich. Da verzieht sich nichts, auch nicht in Jahrhunderten. Meisterliches Können für die Ewigkeit. „Manchmal ist es hier wie eine Zeitreise“, erzählt der 78-Jährige. „Wenn ich runtergehe in die Stadt, lebe ich in der Jetztzeit. Wieder hier oben, bin zurück im Mittelalter – einfach märchenhaft.“

Für das besondere Lebensgefühl hier sorgen auch die Stimmungen, das viele Licht im Haus, das seinen Weg durch die zahlreichen Fenster findet. Außerdem hat man von der Burg aus freien Blick auf die Salzach, das nahe österreichische Ufer, das Farbenspiel der Jahreszeiten. Godzik ist leidenschaftlicher Hobbyfotograf, hier ist er in einem Motiv-Paradies gelandet. Selbst, dass er an manchen Tagen recht viele Besucher unmittelbar vor der Haustür hat, stört Godzik und seine Frau Brigitte nicht. Sie genießen das Burgleben. Zum Burgfest im Juli und zur Burgweihnacht wird die Anlage feierlich geschmückt, erzählt Godzik. „Es ist ein Privileg, hier leben zu dürfen.“ Und diese Möglichkeit gibt es nicht nur für Burghausener. Jeder darf sich bei der Verwaltung um eine Wohnung in der Burganlage bewerben. Allerdings gibt es eine lange Warteliste. Kein Wunder: Burghausen ist eine Welt für sich – lebende Geschichte.

OLIVER MENNER

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