IG Metall will den vollen Lohnausgleich

von Redaktion

Weniger Arbeit, unverändertes Geld – die Gewerkschaft geht mit anspruchsvoller Forderung in die Tarifverhandlungen

München – Das Umfrageergebnis ist schon auf den ersten Blick spektakulär, aber auf den zweiten fast noch mehr. 81 Prozent der Befragten, die im Mai an einer Erhebung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung teilnahmen, sprachen sich für eine Vier-Tage-Woche mit entsprechend niedrigerer Wochenarbeitszeit aus. Der allergrößte Teil allerdings – 73 Prozent – verknüpfte diesen Wunsch mit einer klaren Erwartung: Voller Lohnausgleich.

Selbstverständlich ist das nicht. Bisher dreht sich die Debatte um neue Arbeitszeitmodelle – noch – überwiegend um zwei mögliche Varianten. In der ersten bleibt das Volumen gleich, es wird nur in einer kürzeren Zeitspanne erledigt. Die tägliche Arbeitszeit dehnt sich also aus. In der zweiten verzichtet der Arbeitnehmer auf einen Teil seines Lohns und hat dafür einen zusätzlichen Tag frei. Andere, flexible Modelle (siehe oben) sind möglich, aber noch nicht weit verbreitet.

Ginge es nach der IG Metall, könnte sich das umfassend ändern. Für die Beschäftigten in der Stahlbranche will die Gewerkschaft bei den Tarifverhandlungen im Herbst eine Vier-Tage-Woche fordern. Maximal 32 Stunden, bei vollem Lohnausgleich.

Die Gewerkschaft argumentiert logischerweise aus der Perspektive der Arbeitnehmer, aber nicht nur. Vier Tage zu arbeiten, sei gesünder, weil ein Tag mehr für Erholung zur Verfügung stehe. Beschäftigte seien motivierter und produktiver, sie würden außerdem CO2-sparend die Fahrten zur Arbeit reduzieren. Aber auch Unternehmen profitierten über die höhere Produktivität hinaus, glaubt die Gewerkschaft. Flexible Arbeitgeber seien attraktiver im Werben um Fachkräfte.

Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, bleibt trotzdem skeptisch. Er nennt das Prinzip „Weniger Arbeit, gleiches Geld“ einen „Riesenfehler, den wir uns nicht leisten können“. Auch bei der IHK für München und Oberbayern geht man auf Distanz. Eine simple Verkürzung der Arbeitszeit um ein Fünftel von fünf auf vier Tage bei unverändertem Lohn bedeute die Erhöhung des Stundenlohns um 25 Prozent, sagt Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. „Das wäre für die Arbeitgeber nur dann finanzierbar, wenn die Produktivität der Beschäftigten im gleichen Umfang steigen würde.“ In etlichen Branchen – Erzieher, Lehrer, Pfleger, ÖPNV – sei das „illusorisch“, sagt Gößl.

In anderen Ländern ist die Vier-Tage-Woche bereits akzeptiert. In Belgien ist sie seit Herbst 2022 gesetzlich verankert. Wer will, kann seine Wochenarbeitszeit an vier Tagen absolvieren oder sie reduzieren – gegen Gehaltsabzug. In Großbritannien beteiligten sich 61 Unternehmen an einem Modellversuch, bei dem die Arbeitszeit reduziert wurde, das Gehalt aber gleich blieb. Nach einem halben Jahr entschieden sich 56 dafür, so weiterzumachen.

Allerdings gibt es Zweifel an der Aussagekraft. Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft monierte im SWR, dass sich nur solche Unternehmen für den Versuch beworben hätten, die eh die Arbeitszeit verkürzen wollten. Diese „Positivauswahl“ beeinträchtige die Übertragbarkeit der Studie.

Es dürften komplizierte Verhandlungen werden. Die Variante gleiche Arbeitszeit in weniger Tagen – im Gewerkschaftsjargon „Hamsterrad“ genannt – hat die IG Metall für den Herbst bereits auf den Index gesetzt. „So nicht“, warnt sie ihre Mitglieder. „Es muss eine gute Vier-Tage-Woche sein.“ MARC BEYER

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