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Dass Männer Eingriffe im Namen der Ästhetik vornehmen, hat eine Geschichte. Die Soziologin Paula-Irene Villa Braslavsky von der Ludwig-Maximilians-Universität München erklärt, welche historischen Beweggründe es gibt.
Schönheits-OPs sind auch bei Männern beliebt. War das absehbar?
Dass die Zahl der Eingriffe auch bei Männern steigt – wenn auch die Zahlen der Verbände der plastischen Chirurgen skeptisch zu sehen sind –, ist absolut nicht überraschend. Im Zuge von vielen gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten ist es auch für Männer normaler geworden, sich und ihren Körper zu gestalten. In der Forschung sprechen wir von einem Optimierungs-Imperativ – der starken gesellschaftlichen Aufforderung, sich zu optimieren.
Was hat sich gesellschaftlich verändert?
Gesellschaftlich ist Individualität immer mehr möglich – wir sind zu ihr verdammt. Es gibt einen paradoxen Individualitätszwang. Durch die Sozialen Medien und mehr technologische Möglichkeiten wird die Selbstgestaltung des eigenen Körpers nicht nur wichtiger, sondern auch für immer mehr Menschen möglich. Und so werden auch Männer zunehmend über ihr Äußeres bewertet.
Ist das ein ganz neues Phänomen?
Man neigt zu übersehen, dass die Selbstgestaltung des Körpers bei Männern eine lange Geschichte hat. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der „angemessene“ männliche Körper sehr stark selbst gestaltet – über die richtige Kleidung, den richtigen Gang oder die richtige Haarlänge. Auch die plastische Chirurgie ist kein neues Phänomen aus Hollywood. Schon nach dem Ersten Weltkrieg wurden durch Prothesen „normale“, also arbeitsfähige männliche Körper wiederhergestellt und Gesichter nach Giftgasanschlägen oder Granaten korrigiert. Noch heute geht es um die Herstellung vermeintlich oder tatsächlich normaler Körper.
Was gilt heute bei Männern als normal?
Mein Eindruck ist es, dass es sehr stark um zwei Dinge geht: zum einen um die Herstellung eines Geschlechtskörpers. Zum Beispiel wenn sich Männer die als männlich geltende flache Brust operieren lassen. Zum anderen verkörpern solche Eingriffe die möglichst totale Kontrolle über den eigenen Körper. Es wird sozusagen nichts dem Zufall oder dem biologischen Altern überlassen. So sind etwa Straffungen immer mit dem Versuch verbunden, Jugendlichkeit herzustellen. Interview: Leonie Hudelmaier