München – Der Wirbel um Hubert Aiwanger reißt nicht ab – auch wenn am Samstagabend sein Bruder die Urheberschaft für das antisemitische Flugblatt übernommen hat. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, sieht den Fall damit noch nicht als erledigt an. „Ich bin schockiert. Das zerstört so viel Vertrauen“, sagte die 90-Jährige unserer Zeitung. „Als ich diese furchtbaren Worte in dem Flugblatt gelesen haben, kamen sofort alle meine Kindheitserinnerungen wieder hoch. Überall in München hingen damals die schrecklichen Schriften von Julius Streicher (er war im Dritten Reich Herausgeber der Nazi-Hetzschrift „Der Stürmer“, d. Red.) mit all den Drohungen gegen uns Juden. Weil ich sie als Kind nicht lesen konnte, haben die Erwachsenen sie mir vorgelesen. Aber ich muss sagen, dass das, was in dem Pamphlet von 1987 steht, noch viel viel schlimmer ist. So eine Wut, so ein Hass, das ist einfach unvorstellbar.“
Knobloch kritisiert allerdings auch die Reaktion der Schule damals, die lediglich ein Referat über das Dritte Reich als Strafe verhängte. „Damit war die Sache erledigt. Ich verstehe das nicht. Der ganze Vorgang zeigt: Wir müssen mit allem, was wir heute tun, versuchen, unsere jungen Menschen mitzunehmen.“
Der Zentralrat der Juden betonte am Sonntag, dass der Inhalt auch 35 Jahre später noch zu verurteilen sei. Es sei „auch heute nicht minder verwerflich, da er die Millionen Opfer der Schoa auf abscheuliche Weise verunglimpft“, teilte der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, am Sonntag in Berlin mit. „Das Flugblatt darf aber auch nicht einfach als Jugendsünde abgetan werden, da es die für unser Land so wichtige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus regelrecht mit Füßen tritt.“ geo