Angst vor dem A-Wort

von Redaktion

Manche in der AfD fürchten, der Freie-Wähler-Chef könnte sie Stimmen kosten

Abensberg – Die Katastrophe tritt ein, noch bevor die erste Rede begonnen hat. 10 Uhr, die Sonne knallt schon heftig auf den vollen, unbedachten Platz herab – und das Bier ist aus. „Wir haben einen ganzen Lastwagen hier hochgekarrt“, sagt der Organisator oben am Mikro, „Bier und Getränke“. Alles weg. Hinten schütteln sie, Noagerl aus Plastikbechern schlürfend, wild die Köpfe. Das in Niederbayern, das bei der AfD.

Die Rechts-Partei trifft sich, wie jedes Jahr, abseits der Gillamoos-Festwiese in Abensberg, im Schlossgarten. Der Andrang ist größer als sonst, was die Biernot erklären könnte, irgendwann sperrt die Polizei sogar zu, wegen Überfüllung. Wer es reingeschafft hat, will vor allem sie sehen: Alice Weidel. Die Parteichefin kommt pünktlich, trägt zwar kein Dirndl, nippt dafür aber ein-, zweimal an einem Maßkrug, den sie beharrlich Humpen nennt. Humpen, Humpen, Humpen. So oft sie das Wort sagt, so sehr vermeidet sie ein anderes: Aiwanger.

Für die AfD ist das Thema, das seit gut einer Woche den Wahlkampf dominiert, kein leichtes. Manche in der Partei meinen, der Rummel um den Vize-Regierungschef und das Flugblatt nutze am Ende ihnen. Andere glauben das glatte Gegenteil. „Der wird uns bei der Wahl ein paar Prozent kosten“, sagt ein prominentes AfD-Mitglied. Also besser: Aiwanger nicht zu sehr die Opferrolle überlassen. Weidel jedenfalls meidet das Thema in ihrer 20-Minuten-Rede fast ganz. Nur kurz spricht sie vom Chaos in Bayern. „Der Söder hat seinen Laden nicht mehr im Griff.“ Es brauche die AfD als „ordnende Kraft“.

Berauscht von den guten Umfragewerten, greift der Gast vor allem die Bundesregierung an, fordert Neuwahlen. „Wir werden von Wahnsinnigen regiert“, ruft sie. Die Ampel wolle „die Heimat kaputtmachen“ und alles verbieten, von der Schweinshaxe bis zur Bratwurst. Sie stehe für „mehr Einwanderung, weniger Wohlstand, dafür Kiffen für alle“. Für alles sei Geld da, selbst für „Entwicklungshilfe in Afrika mit Gender-Toiletten“, nur nicht für die eigenen Leute. Das kommt an. Als sie meint, Markus Söder wolle Kanzler werden, schallt es zurück: „Niemals, niemals.“

Man kann nicht behaupten, dass Weidel, gebürtige Westfälin, fremdeln würde mit dieser Gillamoos-Kultur. Warum auch, der Ton in der Partei ist ja chronisch ruppig. An Härte, an Rohheit wird die AfD-Chefin am Montag allerdings noch übertroffen: von Bayerns Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner. Die Regierenden in Berlin nennt sie „verwahrloste Gesellen“, „deutschlandfeindliche Tagediebe“, „heimatfeindliches Pack“. Und Schuld an allem sei er, der bayerische Ministerpräsident, der durch seine Kapriolen bei der letzten Wahl Laschet verhindert habe. „Söder ist der Samenspender dieser Ampel-Missgeburt“, ruft sie. Man werde sie alle zur Verantwortung ziehen, wenn die AfD dereinst regiere. Eines Tages, sagt Ebner-Steiner. „Mit Alice Weidel als Kanzlerin.“

Die Niederbayerin ist es auch, die versucht, das Gespenst Aiwanger einzufangen. Der sei „Teil des Systems Söder“ und nur deshalb noch im Amt, um der AfD „kritische Stimmen“ abzuluchsen. Die Sorge scheint bei manchen in der Partei groß zu sein. Gerade jetzt.

Kurz bevor Weidel, der Stargast, wieder in ihre Limousine steigt, ruft sie dem Publikum noch etwas zu: „Macht die AfD so stark, dass Bayern ohne sie nicht mehr regiert werden kann.“ Als sie weg ist, verlassen auch viele Zuhörer den Schlossgarten, obwohl noch Reden auf dem Plan stehen. Wohin? „Zum Aiwanger“, murmelt einer.      M. MÄCKLER

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