Seidenstraße: Was China in Europa investiert

von Redaktion

VON CHRISTIANE KÜHL

Peking/München – Deutschland ist der Neuen Seidenstraße nie beigetreten, Italien will wieder raus: Chinas milliardenschweres Investitionsprogramm ist vor allem ein Projekt für den globalen Süden. 2013 hatte Xi Jinping die Initiative mit einer Rede in Kasachstan ins Leben gerufen. Damals wollte er vor allem Zentralasien entlang antiker Handelswege vernetzen und den Warenaustausch ankurbeln. Inzwischen ist seine Neue Seidenstraße allerdings zu einem milliardenschweren globalen Infrastrukturprogramm geworden. Dort, wo es gut läuft, bekommen die Partnerländer Kraftwerke, Bahnlinien oder Straßen. China sichert sich umgekehrt geopolitischen Einfluss.

Seit 2019 ist Italien als einziges großes westliches Industrieland Mitglied. Doch diese Mitgliedschaft gilt der Regierung von Giorgia Meloni als lästig, und schädlich für die Beziehungen zu den anderen G7-Staaten. Bis Jahresende muss Italien sich entscheiden, ein Austritt gilt als sicher. Eine Abkehr von China soll es aber nicht sein: Wie auch immer die Entscheidung ausfalle, „sie wird unsere Beziehungen nicht gefährden, und auf jeden Fall wird die Partnerschaft mit China gestärkt“, sagte Außenminister Antonio Tajani nach seinem China-Besuch Anfang dieser Woche in einem Fernsehinterview. Man werde es verschmerzen, ließ sein Amtskollege Wang Yi wissen.

Denn auch ohne Italien hat die Seidenstraßen-Initiative knapp 150 Partnerländer: Praktisch alle afrikanischen Länder sind dabei, alle Staaten Südostasiens sowie 13 Länder in Südamerika. In der EU sind neben Italien auch Polen, Österreich, Ungarn, Griechenland, Portugal, Kroatien, Rumänien, Slowenien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Luxemburg Mitglied. Hinzu kommen mehrere Balkanstaaten, die Türkei, die Ukraine und Russland.

China besitzt die Mehrheit am griechischen Hafen Piräus und finanzierte den Bau der Bahnlinie von Budapest nach Belgrad. Solche Investitionen in EU-Mitgliedsstaaten machen es Brüssel seit Jahren schwer, eine einheitliche Haltung gegenüber China zu entwickeln. Vor allem Griechenland und Ungarn haben immer wieder Ansätze öffentlicher Kritik der EU an China torpediert.

Der Schwerpunkt der Neuen Seidenstraße liegt indes nicht in Europa, sondern im Globalen Süden. Derzeit schließt China nach Daten der bundeseigenen Germany Trade & Invest (GTAI) die meisten und größten Verträge auf der Arabischen Halbinsel ab, etwa zu Erneuerbaren Energien oder Wasserstoff. Zu den bekanntesten realisierten Projekten gehören die Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke Jakarta – Bandung in Indonesien, die kenianische Normalspurbahn oder der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor (CPEC), ein Netz von Energieanlagen, Industriezonen, Straßen, Eisenbahnen und Häfen.

Doch nicht alles läuft glatt. Immer wieder klagten Länder, etwa in Osteuropa, dass China angekündigte Investitionen nie realisierte. Hinzu kommt Kritik aus Entwicklungsländern, dass manche Projekte und Kredite aus China Umweltschäden und politische Abhängigkeiten verursachen oder zur Schuldenfalle wurden (Siehe Interview).

So ganz klar trennen lassen sich Seidenstraßen-Projekte von anderen chinesischen Investitionen oft nicht. In Deutschland war Chinas Staatsreederei Cosco am Bau eines Container-Terminals im Duisport beteiligt, dem größten europäischen Binnenhafen in Duisburg. Die Stadt ist Endpunkt der Seidenstraßen-Bahnverbindung aus China; jede Woche fahren von dort bis zu 60 Züge in verschiedene Städte der Volksrepublik. Für den Jade-Weser-Port Wilhelmshaven, Deutschlands einzige Tiefseehafen, unterzeichnete China Logistics einen Pachtvertrag über 99 Jahre, um dort ein Logistikzentrum zu bauen. Und in Hamburg steigt Cosco jetzt nach langem Ringen zwischen der Hansestadt und der Bundesregierung mit einer Beteiligung von 24,9 Prozent an einem von drei Containerterminals ein. Es ging um die Frage, wie groß die Sicherheitsrisiken durch den Verkauf kritischer Infrastruktur an eine diktatorisch regierte Großmacht sind. Diese Grundsatzdebatte geht auch nach dem Kompromiss von Hamburg weiter.

Cosco und seine Partnerfirma China Merchants haben derweil bereits in 14 europäische Häfen investiert. Neben Piräus hält China auch Mehrheitsanteile im spanischen Valencia und dem belgischen Zeebrügge sowie Minderheitsanteile an Rotterdam, Antwerpen und wichtigen Mittelmeerhäfen. Dabei sind auch Spanien, die Niederlande und Belgien selbst keine Mitglieder der Neuen Seidenstraße.

„Chinas Investitionen unterstreichen seine langfristige Hafenstrategie in Europa: die maritime Vernetzung der Transportinfrastruktur. Cosco steht dabei stellvertretend für Staatsunternehmen, welche die Anbindung an und Integration in die Neue Seidenstraße vorantreiben“, erklärt der Seidenstraßen-Experte Jens Bastian von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Piräus ist heute Brückenkopf der Neuen Seidenstraße in Europa und das wichtigste Hafenprojekt Chinas in der EU. Cosco hält inzwischen 67 Prozent am Hafenbetreiber. Griechische Reedereien hätten bereits vor mehr als zehn Jahren Cosco die Tür geöffnet, schreibt Bastian. „Diese Familienunternehmen ließen ihre Tankerflotte in Südkorea und China bauen, während sich Peking in Europa auf den Erwerb von Häfen und maritime Transportkapazitäten konzentrierte.“

Wirtschaftlich ist der einst marode Hafen seit dem Cosco-Einstieg ein Erfolg. Schiffe aus Asien laufen heute nach der Durchquerung des Suezkanals als Erstes Piräus an; Fracht wird dort für den ganzen Mittelmeerraum in kleinere Feederschiffe umgeladen. Doch Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis beschrieb das Verhältnis zu China Ende 2022 trotzdem als „schwierig und komplex“. Mögliche europäische Investoren hatten übrigens im Jahr 2015 abgewunken. Auch das ist Teil der Geschichte.

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