Das geheime Luxus-Leben von Kaiserin Sisi

von Redaktion

VON KATRIN UNTERREINER

Wien – Sisis Weigerung, die Rolle der Kaiserin von Österreich zu spielen, ihr Kampf um ein selbstbestimmtes Leben und ihr Rückzug ins Privatleben sind wohlbekannt. Weniger bekannt ist, wie das Leben der Kaiserin abseits des Wiener Hofes und vor allem der Öffentlichkeit wirklich aussah. Wer war die historische Person hinter all den Klischees und Legenden?

Nubier als Hundesitter

Elisabeth erkannte schon als junge Frau ihre einzige Chance, dem ihr verhassten Hofleben und der lästigen Rolle der Kaiserin zu entfliehen: eine Krankheit. Dies war das einzig mögliche Exit-Szenario und Elisabeth inszenierte sich geschickt als ständig leidende, vom Schicksal schwer geprüfte Monarchin, die nur im Ausland Ruhe und Erholung finde. So firmierten ihre Vergnügungsreisen durch Europa und Nordafrika als Kurreisen, was eine kritische Auseinandersetzung so gut wie unmöglich machte.

Mit Ruhe, Schonung und Erholung hatten ihre Auslandsaufenthalte, die sich oft über Monate hinzogen, jedoch nichts zu tun. Vielmehr handelte es sich um mondäne Luxusreisen, die minutiös geplant und von einer Vielzahl von kaiserlichen Beamten organisiert wurden. Neue Quellen ermöglichen erstmals, den enormen Aufwand aufzuzeigen, der hinter der Reiselust der Kaiserin steckte. Denn Elisabeth reiste vor allem in jungen Jahren mit einem bis zu hundert Personen zählenden Gefolge, zu dem neben ihrem Hofstaat, Kammerpersonal und ihren Reisebegleitern auch Köche, Reitlehrer, Stallpersonal, Sicherheitspersonal, eine private Masseurin sowie ein Nubier, der als Hundesitter fungierte, zählten. Sisi reiste in einem für damalige Verhältnisse luxuriös ausgestatteten Privatzug, stieg stets in den elegantesten Hotels ab und mietete für längere Aufenthalte exklusiv ganze Schlösser oder gleich ein ganzes Hotel. Die ausgewählte Unterkunft wurde schon Wochen zuvor gesperrt, inspiziert, nach ihren Wünschen eingerichtet und umgebaut.

Aber nicht nur ihre Fernreisen verschlangen Unsummen. Auch vordergründig einfache Familienbesuche in ihrer bayerischen Heimat kosteten ein Vermögen. Auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, was diese enormen Kosten verursachte, ergab sich ein bislang weithin unbekanntes Bild des Alltags der Kaiserin. So wollte Elisabeth ihre mehrwöchigen Aufenthalte in Bayern – meist in Feldafing, dem Nachbarort von Possenhofen – zwar abgeschieden von der Öffentlichkeit genießen, dafür aber keineswegs auf Bequemlichkeit verzichten. Abgesehen von einem 50-köpfigen Gefolge standen täglich für Wanderungen und Ausflüge neben privaten Führern Separatzüge, Kutschen oder Dampfschiffe für Bootsausflüge – exklusiv und inklusive Personal – zur Verfügung. Hinzu kam die Verköstigung der gesamten Familie und für das Lieblingsgetränk der Kaiserin – frische Milch – wurde extra eine Kuh um 220 Gulden (rund 3500 Euro) angekauft. So kostete ein Sommeraufenthalt der Kaiserin 1883 in Feldafing und Ischl 172 300 Gulden – umgerechnet ca. 2,7 Millionen Euro. In dieser Höhe lagen auch die Kosten für ihre jährlichen Reitaufenthalte in England und Irland, ihre Seereisen nach Griechenland und Nordafrika. Dazu kamen Aufenthalte an der Côte d’Azur, wo sich der internationale Jetset ein Stelldichein gab, und nicht zuletzt Korfu, wo sich Elisabeth die Villa Achilleion als privates Refugium errichten ließ.

Die Kosten für dieses mondäne Leben trug Kaiser Franz Joseph, der seiner Frau jeden Wunsch erfüllte und anstandslos alles aus seiner Privatkasse beglich. Ihr eigenes Geld in Form ihrer jährlichen Apanagezahlung legte die Kaiserin in Aktien und Anleihen an und erwies sich dabei als durchaus geschickt. So betrug ihr Privatvermögen bei ihrem Tod 1898 sage und schreibe zehn Millionen Gulden – umgerechnet knapp 175 Millionen Euro.

Geheime Flirts

Kaiserin Elisabeth hatte als junge Frau die Macht ihrer Schönheit erkannt und setzte sie viele Jahre gezielt für ihre Interessen ein. Sie liebte es, bewundert, umschwärmt und angebetet zu werden – hielt Verehrer jedoch immer auf Distanz. Es gibt keinerlei Quellen, die ein romantisches oder gar intimes Verhältnis mit einem anderen Mann vermuten lassen, diskrete Flirts jedoch sehr wohl. Dazu zählten Inkognito-Ausflüge auf Wiener Bälle oder Spaziergänge mit Verehrern bei ihren Kuraufenthalten. Mit Gyula Graf Andrássy verband sie jedoch – entgegen aller Legenden – nie mehr als eine enge Freundschaft. Der einzige Mann, zu dem sie sich Zeitgenossen und Vertrauten zufolge hingezogen fühlte, war ihr Reitführer und Lehrer Capitain George „Bay“ Middleton, der über mehrere Jahre als „Reit-Pilot“ der Kaiserin fungierte. Bei den Ausritten und Parforce-Jagden verbrachte sie immer wieder einige Momente allein mit ihm, da den beiden exzellenten Reitern kaum jemand folgen konnte. Elisabeths Nichte Marie Wallersee fungierte dafür meist als Alibi und beteuerte, dass die Kaiserin niemals allein mit Middleton gewesen wäre – was jedoch nicht stimmte. An sich hatten verheiratete adelige Frauen die gleichen „Freiheiten“ wie die Männer und hatten, da Ehen in diesen Kreisen aus dynastischen oder wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurden und mit Liebe und Treue wenig zu tun hatten, durchaus gesellschaftlich tolerierte Affären und Liebschaften. Die Situation einer Kaiserin war jedoch eine ganz andere. Ihre wichtigste Aufgabe war es, den Fortbestand der Dynastie zu sichern und da unzweifelhafte Legitimität eine wichtige Rolle spielte, war eine Kaiserin rund um die Uhr von Hofdamen und anderen „Bewachern“ umgeben und de facto keine Sekunde ihres Lebens alleine.

Doch Elisabeth gelang es auch hier, ihren Kopf durchzusetzen. Sie arrangierte geschickt einen Abend, den sie durch „Zufall“ allein mit Bay Middleton verbrachte. Dieser einmalige und außergewöhnliche Abend in Elisabeths Leben fand jedoch in aller Öffentlichkeit statt, da ihn die beiden im belebten Crystal Palace, einem beliebten Treffpunkt der Londoner Gesellschaft, verbrachten. Dennoch waren sie für einige Stunden „alleine“ und Elisabeths Tränen beim Abschied einige Tage darauf sprechen dafür, dass es sich bei Bay Middleton wohl um mehr als einen harmlosen Flirt handelte.

Unbekannte Spleens

Weniger bekannt sind auch die bislang kaum erforschten Spleens der Kaiserin. Dazu zählte ihr Interesse für spiritistische Sitzungen, „Tischerlrücken“ und ähnliche Modeerscheinungen der Zeit. Darüber hinaus besuchte die Kaiserin „inkognito“, wo auch immer sie die Möglichkeit dazu fand, „Irrenanstalten“. Dabei ließ sie sich in diesen Anstalten für psychisch kranke Menschen stets vom Leiter durch das Haus führen und in erster Linie außergewöhnliche Patienten zeigen. Vor allem von Hypnosebehandlungen zeigte sie sich fasziniert und nahm wiederholt daran teil. Dieses Interesse war jedoch ein äußerst oberflächliches und ist beinahe als voyeuristisch einzuordnen. Niemals bedachte sie eines der Häuser mit Spenden oder setzte sich für eine Verbesserung der Behandlungs- und Lebensbedingungen der Patienten ein.

Die liebevolle Omama

Neu entdeckte Quellen aus dem Besitz direkter Nachkommen der Kaiserin offenbaren erstmals eine ganz neue und durchaus überraschende Facette: die Kaiserin als herzliche „Omama“, wie sie von ihren Enkeln genannt wurde. Vor allem zu ihrer Enkelin „Ella“, einer Tochter ihrer Lieblingstochter Marie Valerie, hatte sie offenbar ein besonders inniges und liebevolles Verhältnis, was insofern erstaunlich ist, als Elisabeth sich sonst von Kindern eher gestört fühlte und weder zu ihren eigenen Kindern, noch ihren zahlreichen Enkeln ein enges Verhältnis hatte und diese auch nur selten sah. „Ella“ scheint jedoch eine Ausnahme gewesen zu sein, und die kleinen Briefchen, Postkarten und Nachrichten, die die Kaiserin ihr schrieb und schickte, lassen Elisabeth in einem ganz neuen Licht als herzliche Großmutter erscheinen.

Die Autorin

Katrin Unterreiner studierte Kunstgeschichte sowie Geschichte an der Universität Wien und war langjährige wissenschaftliche Leiterin von Schloss Schönbrunn und Kuratorin des Sisi-Museums in den Kaiserappartements der Wiener Hofburg. Sie ist zudem Autorin zahlreicher Bücher. Gerade erscheint ihr neuestes: „Sisi – das geheime Leben der Kaiserin“ (ISBN 978-3-8000-7851-6).

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