Kirchenaufgabe, Kirchenumnutzung, Kirchenabriss: Die evangelische Kirche geht mit diesem Thema etwas nüchterner um als die katholische Kirche. Das liegt daran, dass es in der protestantischen Kirche keine geweihten, heiligen Orte gibt. Trotzdem wird natürlich auch in der evangelischen Kirche Wert darauf gelegt, dass nach einer sinnvollen und angemessenen Nutzungsmöglichkeit gesucht wird, wenn ein Gebäude nicht mehr für Gottesdienste genutzt wird.
So wurde am 15. April 2020 die baufällige evangelische Argula-Kirche in Hausham (Landkreis Miesbach) abgerissen. Auf dem Gelände sollen ein Kinderhaus mit Hort, Krippe und Wohnungen entstehen. Weil die Baukosten erheblich gestiegen sind, hat eine europaweite Ausschreibung die Verwirklichung des Projekts aber verzögert.
In den vergangenen 15 Jahren wurden nach Angaben des bayerischen Landeskirchenamts maximal zwölf Kirchen aufgegeben beziehungsweise entpflichtet. Dabei handelte es sich unter anderem um Notkirchen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind und inzwischen baufällig waren.
Die frühere Samariterkirche im Münchner Norden ist zu einem Studentenwohnheim geworden; die vor einigen Jahren an einen Privatmann verkaufte (kleine) Lukaskirche in Kelheim wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. Bei der ebenfalls an einen privaten Investor veräußerten St.-Lukas-Kirche in Coburg (ein Multifunktionsbau im klassischen 70er-Jahre-Stil) steht die Nutzung noch nicht fest.
In einem im Mai 2023 veröffentlichten gemeinsamen Positionspapier der evangelischen und der katholischen Kirche mit dem Titel „Kirchliche Baudenkmale – Kulturelles Erbe auf einem steinigen Weg in die Zukunft“ werden hohe Zahlen genannt: In den kommenden 40 Jahren müssten sich die beiden großen Kirchen von jeweils einem Drittel ihrer Gebäude trennen – demnach würden die Kirchen bis 2060 insgesamt rund 40 000 Immobilien verlieren. Das schließt Pfarr- und Gemeindehäuser sowie Verwaltungsgebäude ein.
Kirchen stehen – abgesehen von der emotionalen Bindung der Gläubigen an das Gebäude – oft unter Denkmalschutz. In dem Positionspapier heißt es, dass von den 42 500 Sakralbauten der beiden großen Konfessionen rund 80 Prozent unter dem Schutz des Denkmalsrechts stünden. Nach Auffassung der Kirchen muss es ein deutschlandweit einheitliches Verfahren geben, damit die Denkmalschutzbehörden der Länder und die Kirchen auf Augenhöhe über eine neue Nutzung von Sakralbauten verhandeln könnten. cm