Ebenhausen – Die weißen Transportsäcke vor der eingerüsteten Kirche St. Benedikt in Ebenhausen im Kreis München sind nicht Teil einer Sanierung – sie sind stumme Zeugen der Abschiedsstimmung, die über dem katholischen Gotteshaus liegt. Denn der Kirchbau aus den 1960er-Jahren wird wohl ab kommendem Jahr kein Gotteshaus mehr sein. Die Tage von St. Benedikt sind gezählt, die Kirche wird profaniert.
St. Benedikt ist die erste Kirche überhaupt im Erzbistum München und Freising, die entwidmet werden soll, seit das Ordinariat 2021 seine Immobilienstrategie vorgestellt hat – mit dem Ziel einer „deutlichen Reduzierung der Immobilienlast“. In Zeiten knapper Finanzen und sinkender Besucherzahlen in den Kirchen sind alle Pfarreien aufgefordert, ihren Immobilienbestand zu durchleuchten.
Insgesamt gibt es in der Erzdiözese München und Freising 748 Pfarrkirchen, 1131 Filialkirchen und 1429 Kapellen. Die Gebäude, die zuerst auf dem Prüfstand stehen, sind aber Pfarrheime und Pfarrhäuser. Dass die Gemeinde Ebenhausen im Pfarrverband Schäftlarn nun die erste ist, die einen Antrag auf Profanierung ihrer Kirche gestellt hat, hängt mit der Baufälligkeit und der geringen Nutzung zusammen. „Wir können den Unterhalt der Kirche nicht mehr bezahlen“, sagt Pfarrer Stefan Scheifele freiheraus. „Selbst wenn ich jetzt einen Investor hätte, der mir drei Millionen Euro gibt, wäre uns nicht geholfen.“
Das Gotteshaus war schon von einem Bauzaun umgeben, als der 55-Jährige vor zwei Jahren den Pfarrverband übernahm. Der unebene Boden um die Kirche barg gefährliche Stolperfallen. Das war nicht alles. „Der Reihe nach fielen die Dachschindeln runter.“ Scheifele holte einen Gutachter. Dessen Urteil läutete das Ende des Gotteshauses ein: „Der Gutachter hat festgestellt, dass Lebensgefahr besteht wegen herunterfallender Dachschindeln – und dass die Schindeln asbesthaltig sind.“
Die Kirche wurde rundherum gesichert, nur der überdachte Eingang blieb offen. Für Gottesdienste kann St. Benedikt weiter genutzt werden, denn in dem hellen Kirchenraum gibt es keine Asbestbelastung. Dafür aber feuchte Wände. Vom Untergrund zieht der Schimmel in die Höhe, der Putz ist hin.
St. Benedikt wurde in einer Zeit gebaut, als Ebenhausen ein deutlicher Zuzug prognostiziert wurde. Doch der blieb – anders als etwa in Taufkirchen – aus. Ebenhausen blieb der idyllische Ortsteil von Hohenschäftlarn mit Einfamilienhäusern und ohne die erwarteten Gewerbeansiedlungen. Die Kirche mit ihren 450 Sitzplätzen ist daher völlig überdimensioniert. Von den 960 gemeldeten Katholiken kommen sonntags zwischen neun und 17 zum Gottesdienst.
Schnell war klar: St. Benedikt braucht ein neues Dach. „Die Kirchenverwaltung und der Pfarrgemeinderat haben signalisiert: Wenn die Diözese das nicht finanzieren kann – wir können es auch nicht. Dann müssen wir uns von St. Benedikt trennen“, berichtet der Pfarrer. Immerhin ist Ebenhausen in einer vergleichsweise glücklichen Lage. Nur 400 Meter von St. Benedikt entfernt liegt St. Michael in Zell, ein romanischer Kirchbau aus dem Jahr 1206. „Die Kirche ist ein Juwel und sehr beliebt: An Sonntagabendgottesdiensten sind immer über 60 Menschen da“, sagt Pfarrer Scheifele. Bei der Zeller Kirche ist auch der Friedhof – seit jeher das Herzstück der Gemeinde. Mit St. Georg in Hohenschäftlarn, dem Kloster Schäftlarn und den Kirchen in Icking und Baierbrunn gibt es noch weitere Gotteshäuser zur näheren Auswahl. Vermutlich werden die Katholiken in Ebenhausen kirchenrechtlich künftig zur Gemeinde St. Georg in Hohenschäftlarn gehören.
Einen genauen Zeitplan gibt es noch nicht, der Pfarrer schätzt, dass der letzte Gottesdienst Ende des Jahres gefeiert wird. Als er das Ende von St. Benedikt im Gottesdienst bekannt gab, habe mancher Gläubige Tränen in den Augen gehabt, erzählt Scheifele. Menschen, die hier geheiratet, deren Kinder hier getauft wurden. „Ich weiß, was das für eine Trauer ist. Und diese Trauer braucht Trost.“
Der Pfarrgemeinderat, der aus vielen jungen Katholiken besteht, sagt: „Unser Christsein hängt nicht von Mauern ab.“ Die jungen Leute, erklärt Scheifele, hätten nicht eine so enge Beziehung zu St. Benedikt wie diejenigen, die den Aufbau der Kirche noch erlebt haben. Die überwiegende Zahl der Kirchgänger verstehe aber die Entscheidung.
Ob St. Benedikt, das auf Kirchengrund steht, verkauft oder abgerissen wird, ist offen. Klar ist für den Pfarrer: „Dass hier ein Hotel entsteht, das wollen wir nicht.“ Gespräche mit dem Bürgermeister laufen. Es gebe in der politischen Gemeinde Schäftlarn keinen größeren Veranstaltungsraum, sagt Scheifele. Ein solches Gebäude könnte hier entstehen – vielleicht mit einem kleinen Andachtsraum. „Die Fläche soll der Allgemeinheit dienen. Es soll nicht privatisiert werden.“
Trotz aller Probleme fühlt sich Pfarrer Scheifele im Isartal wohl. Der gebürtige Münchner kann Krise, war zwölf Jahre Seelsorger bei der Bundeswehr, davon 18 Monate im Krieg im Kosovo. Er schätzt die Oberbayern, die ihr Christsein in Brauchtum, Tradition und Folklore leben. Sein Weg als Pfarrer sei es, die Menschen zu begleiten. Als bekannt wurde, dass St. Benedikt profaniert wird, bekam Scheifele viele E-Mails. Und was machte er? Er fuhr zu den Menschen nach Hause und erklärte, dass Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat aus der Not heraus entschieden hätten. „Vertrautes wächst neu, wenn es wieder Erfahrungen der Treue Gottes gibt. Treue schafft Trost, das gehört zusammen.“