Sonne zum Auftakt, Wasser zum selber zapfen

von Redaktion

VON CORNELIA SCHRAMM UND WOLFGANG HAUSKRECHT

München – Es wird noch gebohrt und geschraubt, Laster schlängeln sich durch, Bedienungen eilen zum Einkleiden in die Festzelte. Bei „Rund um den Tegernsee“ wird der Springbrunnen getestet – und aus einer Bude strömt schon der Duft gebrannter Mandeln. Es ist der letzte Schliff, bevor morgen die 188. Wiesn beginnt. Beim traditionellen Rundgang am Donnerstag richten Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner den Blick aber auch gen Himmel. Denn der war letztes Jahr kein Freund des Volksfestes.

Dauerregen und Bibberkälte. Nur 5,7 statt der 6,3 Millionen Besucher bei der letzten Vor-Corona-Wiesn im Jahr 2019. Nur 5,6 statt damals 7,3 Millionen Mass Bier. „Zwölf Grad und Regen – das war nur mittelmäßig amüsant“, erinnert sich Reiter. „Dass das Wetter heuer besser wird, ist nicht wirklich schwer.“ Er schaut wieder zum Himmel, grinst und sagt. „Am Donnerstag hat es sich abgeregnet, ab jetzt läuft es sich bis Samstag warm.“

In der Tat soll es am Wochenende trocken bleiben, am Sonntag zum Trachtenumzug hat sich sogar viel Sonne angekündigt. Auch die Biergärten sollten also wieder voll sein, zumal mehr Sonderflüge aus Übersee landen. Vor allem US-Amerikaner kommen gerne zum in der Heimat eher schlecht kopierten Oktoberfest. „München wird voll – das sehen wir sowohl an den Reservierungszahlen der Wirte als auch an der gigantischen Zahl an Buchungsanfragen bei den Hotels“, sagt Andreas Steinfatt, Geschäftsführer der Paulaner Brauerei. „Bei unseren Vorbereitungen haben wir nicht auf vergangenes Jahr geschaut, sondern auf das Vor-Corona-Jahr 2019.“ Das Bier dürfte also nicht ausgehen.

Dass das Wetter letztes Jahr der Spielverderber war, zeigen auch die Tourismus-Zahlen der Stadt von 2022. Im Wiesn-Monat September kamen 781 000 Gäste an – 68,4 Prozent mehr als im Jahr davor, als das Oktoberfest wegen der Pandemie ein zweites Mal abgesagt werden musste. Entsprechend stieg auch die Zahl der Übernachtungen um 53 Prozent. Die rund 1,73 Millionen Übernachtungen waren ein neuer Rekord – der sich wegen des miesen Wetters aber nicht auf der Festwiese bemerkbar machte.

Das Thema Wasser beschäftigt Reiter heuer auch aus einem anderem Grund. Erstmals gibt es Gratis-Trinkwasser aus vier Spendern, die die Stadt aufgestellt hat. Schon im Vorfeld hatte Reiter die hohen Preise für Mineralwasser kritisiert. Am Trinkbrunnen hinter dem Löwenbräu-Zelt greift er das Thema noch einmal auf. „Trinkflaschen dürfen auf das Gelände mitgenommen und hier gratis aufgefüllt werden“, sagt er. „Als ich von den Preisen für einen Liter Wasser auf der Wiesn erfahren habe, wurde diese Idee geboren.“ 10,04 Euro kostet die Mass Wasser im Schnitt, in manchen Zelten werden sogar 11,60 Euro fällig. Das habe ihn „geärgert“, sagt Reiter. Demonstrativ füllt er sich eine Plastikflasche ab und witzelt: „An einem Gratis-Bierbrunnen arbeite ich noch – aber ich glaube, da bleibt’s bei der Idee.“

Dann geht es weiter über die Wiesn, wo es wie jedes Jahr Neues gibt. Zum Beispiel das Fahrgeschäft „Crazy Outback“ von Nadine Kollmann, das einen auf zwei Etagen nach Australien entführt (Eintritt: 5 Euro). In dem schaukelnden Labyrinth gibt es eine Koala-Waschanlage und eine Känguru-Boxschule.

Auch im „Crazy Island“ wird es exotisch, genauer gesagt karibisch. Der Laufparcours von Klaus-Rudolf Schneider und seinem Sohn Rudolf bietet Wasserspiele auf 400 Metern und fünf Stockwerken (Eintritt: 6 Euro). Ebenfalls neu: Das Fahrgeschäft „Mr. Gravity“ – zu Deutsch Herr Schwerkraft. Zehn Gondeln rotieren auf einer Scheibe – und zugleich an dem großen Dreharm. „Während der Fahrt erreichen wir Geschwindigkeiten von bis zu 100 Kilometer die Stunde“, sagt Betreiber Robert Oberschelp. „Es ist das schnellste Fahrgeschäft auf der Wiesn.“ Das Turbo-Gefühl kostet 6,50 Euro.

Eine Achterbahnfahrt der Gefühle hat Familie Hartnagel hinter sich: Seit 25 Jahren bewerben sich die Nürnberger Schausteller um einen Standplatz – jetzt hat es endlich geklappt. „Wir haben die Hoffnung nie aufgegeben“, sagt Sandra Hartnagel und reicht beim Rundgang Brezn aus ihrem „Brezenhaus“.

Es ist auch eine Wiesn der Jubiläen: Beim „Schichtl“ lädt Manfred Schauer mit Henker Ringo zur 15 000. Köpfung, die Käfer-Schänke feiert ihre 50. Wiesn (siehe Interview) – und die Krinoline eine Schnapszahl. Seit 99 Jahren schunkelt das Traditionsfahrgeschäft auf der Wiesn.

Artikel 2 von 5