München – Der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude trat 2013 auch als Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl an. Seitdem setzt er sich kritisch mit seiner Partei auseinander. Ein Gespräch.
Herr Ude, Sie haben für die SPD 2013 noch über 20 Prozent geholt. Seitdem ging es in Bayern steil bergab. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Das hat natürlich mit der Veränderung der Parteienlandschaft zu tun. Schon unter Helmut Schmidt hat die SPD durch die Gründung der Grünen verloren, später kamen Freie Wähler und die AfD dazu. Aber es gibt auch regionale Gründe: Landesverbände, die realistische und pragmatische Politik machen wie Niedersachsen, haben noch hervorragende Ergebnisse. Aber dafür muss man Menschen zurückgewinnen wollen.
Hat die Bayern-SPD denn genug Profil?
Nachweislich der Umfrageergebnisse offenbar nicht.
Was müsste man anders machen?
Ich will nicht während des Wahlkampfes als Besserwisser auftreten. Aber ich meine, dass die Themenvielfalt einfach viel zu groß ist. Wir nehmen uns nach jedem schlechten Wahlergebnis vor, uns beim nächsten Mal auf drei Themen zu konzentrieren – und das geschieht dann nie.
Die Fraktion im Landtag war sehr zerstritten. Wirkt sich so etwas aus?
Ich glaube nicht, dass die Tätigkeit der fünftgrößten Fraktion eine große Aufmerksamkeit durch die Gesamtbevölkerung genießt. Aber natürlich ist man noch schwächer, wenn man mit einer quasi exakt in der Hälfte gespaltenen Fraktion antritt.
Florian von Brunn hat es nicht geschafft, sie wieder zu einen.
Da müssten auch diejenigen mitmachen, die es zu einen gilt. Florian Brunn selbst macht eine gute Arbeit.
Zwischendurch schrieb die Partei seltsame Schlagzeilen: Der Generalsekretär musste zurücktreten, weil ihm Belästigung vorgeworfen wurde. Es ist aber weder ein Opfer noch ein konkretes Vergehen bekannt geworden.
An meiner Kritik daran hat sich nichts geändert. Ich habe soeben einen Wahlkampftag für Arif Tasdelen absolviert. Er hat mich vor zehn Jahren tatkräftig unterstützt. Und ich habe versucht, mich zu bedanken. Ich habe von ihm unverändert eine hohe Meinung.
Es ist ja schon kurios, dass er zurücktreten muss, aber auf Platz eins in Mittelfranken kandidiert.
Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund. Aber das habe ich alles bei anderer Gelegenheit schon gesagt.
Was empfehlen Sie Ihrer Partei landespolitisch?
Die Rückholung der verlorenen Wähler. Wir müssen uns wieder stärker auf sozialdemokratische Milieus konzentrieren, die es unverändert in Betrieben, unter Rentnern und Studenten gibt. Das wäre wichtiger, als auch noch der kleinsten Minderheit genüge zu tun.
Ein großes Thema ist die Migrationspolitik, wo auch viele SPD-Wähler hadern.
Dazu habe ich schon 2016 fast ein ganzes Buch geschrieben. Ich bin ein bedingungsloser Befürworter des Grundrechts auf Asyl. Aber überall, wo es nicht um Asylrecht geht, sollte sich die SPD stärker an der Bevölkerungsmeinung orientieren. Die Parole „Kein Mensch ist illegal“ und deshalb dürfe niemand abgeschoben werden – das geht nach meiner Beobachtung weit an der Mehrheitsmeinung vorbei, auch in unserer Wählerschaft.
Aber es kommt Bewegung in die Debatte.
Ja, inzwischen werden in der Bundes-SPD Dinge vertreten, die 2016 noch als Pfui-Bäbä galten. Bei der Bayern-SPD wird diese Kurskorrektur vermutlich erst nach dem 8. Oktober beginnen.
Die CSU fordert eine Obergrenze.
Mit der Obergrenze ist es wie mit der Ausländermaut: Alle Bierzelte jubeln, aber alle Rechtskundigen schütteln den Kopf. Am Ende zahlen die deutschen Steuerzahler hunderte Millionen Euro für ein leeres CSU-Wahlversprechen. Was gilt denn, wenn man fast jedes Jahr die „Obergrenze“ überschreitet: Wird die Obergrenze wieder abgeschafft oder das Asylrecht, was nach internationalem Recht gar nicht geht? Das sind leere Phrasen – und die CSU ist Wiederholungstäter.
Interview: Mike Schier