HINTERGRUND
Die Volksrepublik China beansprucht fast das gesamte Südchinesische Meer. Auf Karten kennzeichnet Peking die als Teil der Volksrepublik angesehenen Gebiete mit seiner im Ausland berüchtigten „Neun-Striche-Linie“, die es auf historische Fischerei-Aktivitäten von Chinesen in der Region zurückführt. Auch Malaysia, die Philippinen, Vietnam und Brunei reklamieren teils überlappende Teile des insgesamt 3,5 Millionen Quadratkilometer großen Seegebiets für sich. Taiwan erhebt ebenfalls Ansprüche, hält sich aber öffentlich damit zurück – die Inselrepublik wird selbst als Ganzes von China beansprucht.
China kontrolliert indes nicht das gesamte beanspruchte Gebiet. Auch die anderen Staaten besetzen einzelne Inseln oder beuten Rohstoffe aus. Doch China agiert in der Region zunehmend selbstbewusst und nagt stückchenweise am Status quo. So lässt Peking Riffe zu künstlichen Inseln aufschütten und errichtet darauf Militäranlagen. Peking lässt keinen Zweifel daran, dass es diese Inselchen verteidigen will. Ein Gesetz gibt Chinas Küstenwache seit Anfang 2022 deutlich mehr Befugnisse als zuvor, die Gebietsansprüche durchzusetzen – und gestattet es ihr, auf Schiffe in umstrittenen Gewässern zu schießen. Seit Erlass des Gesetzes nimmt die Zahl der Zusammenstöße unter anderem eben mit den Philippinen zu.
Das Südchinesische Meer ist eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Allen Anrainern geht es aber nicht nur um strategische Positionen, sondern auch um reiche Fischereigründe und Rohstoffvorkommen. Die USA sehen Pekings Gebietsansprüche als illegal an und haben in der Vergangenheit bereits wiederholt Kriegsschiffe in das Gewässer entsandt, die manchmal von chinesischen Schiffen beschattet wurden. Die Philippinen klagten gegen Chinas Ansprüche vor dem Ständigen Schiedsgerichtshof in Den Haag und bekamen 2016 recht: Das Gericht wies Chinas Ansprüche zurück. Doch Peking schert sich nicht um das Urteil und beharrt auf seiner Sichtweise. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. CHRISTIANE KÜHL