„Strafbarkeitslücke“: Die Politiker und der Masken-Skandal

von Redaktion

HINTERGRUND Zwei Ex-Abgeordnete aus Bayern verdienten prächtig an der Corona-Not – und sind juristisch komplett rehabilitiert

München – Es ist ein später Mai-Abend, eine lange Plenardebatte im Landtag, als sich plötzlich der Mann zu Wort meldet, um den es hier seit Stunden geht. Der Abgeordnete Alfred Sauter, fraktionslos, tritt aus der letzten Reihe ans Rednerpult. Er bricht sein monatelanges Schweigen in der Öffentlichkeit und rechnet ab. Als „böse Buben“ müssten jetzt ausgerechnet jene herhalten, schimpft Sauter, „die einen Beitrag dazu geleistet haben, das Beschaffungsproblem zu lösen“.

So also sieht er es. Und es ist ein gespenstischer Moment im Landtag. Denn formal steht hier kein schuldiger Masken-Raffke, kein gieriger Abzocker oder Hinterzieher – sondern ein Mann, der juristisch absolut rechtens gehandelt hat. Auch wenn es sich anders anfühlt.

Sauter, 73, Jurist, bis vor der Affäre Abgeordneter der CSU, wird gern in einem Atemzug mit der Tandler-Sache genannt. Die Sachlage ist aber anders. Er ist einer von mehreren Politikern, die in der Not der Corona-Anfangszeit 2020 sündteures Schutzmaterial von Firmen an den Staat weitervermittelt und dabei gute Kontakte in die Ministerien genutzt haben. Er und sein Bundestagskollege Georg Nüßlein, 54, ebenfalls aus Schwaben, haben dafür jedoch anders als die meisten Politiker Provisionen von Firmen genommen, mindestens mehrere hunderttausend Euro, abgewickelt unter anderem über Liechtenstein.

Als das aufflog, setzte eine große Welle ein. Die Staatsanwaltschaft rückte an, im Fall Sauter wurde sein Büro im sonst hochheiligen Landtag durchsucht. Die Justiz ließ die Provisionen einfrieren. Die CSU-Spitze ließ Sauter aus dem engsten Führungszirkel der Partei fallen, die Fraktion drängte ihn raus. Plötzlich fiel der CSU auf, dass Sauter schon immer seine Anwalts- und Politikertätigkeit gefährlich eng verwoben hatte; jahrelange Hinweise darauf in den Medien hatte man noch geflissentlich ignoriert. Im Landtag fand sich ein Untersuchungsausschuss zusammen, lud Sauter mehrere Male vor.

Er schwieg dort. Wartete ab – bis zur spektakulären Wendung. Mehrere Instanzen bis rauf zum Bundesgerichtshof kamen zum Ergebnis: Sauter wurde nicht bestochen, war nicht bestechlich, denn er handelte bei den Masken formal nicht als Politiker, sondern als Anwalt. Die Worte „Strafbarkeitslücke“ und „Demokratieverdruss“ fielen. Aber: Die Durchsuchung war rechtswidrig, der Vermögens-arrest auch. Das Geld gab es zurück. Weil es anders als bei Tandler keinerlei Hinweise auf Steuerhinterziehung gibt, hat Sauter auch hier juristisch nichts zu fürchten. Er habe alles versteuert oder gespendet, ließ er wissen. Und deutete an, er sehe eine Kampagne von CSU und Justiz gegen sich am Werk.

Der Imageschaden: bleibt. Für Sauter, für Nüßlein, für die CSU, für die Politik insgesamt. Die Nebenjob- und Transparenz-Regeln im Landtag wurden wieder mal verschärft, über die Bestechlichkeitsregeln wird geredet.

Bei seinem letzten großen Auftritt im Landtag im Mai wird Sauter noch gefragt, ob er zumindest ein moralisches Fehlverhalten bei sich sehe. Er antwortet darauf nicht.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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