„Es ist ein Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei“

von Redaktion

INTERVIEW Generalkonsulin Talya Lador-Fresher über Israels Vorgehen im Gazastreifen und ihre Erwartungen an Berlin

München – Die Lage in Israel und in Gaza versetzt die Welt in Sorge: Wie geht der Krieg weiter – und wird es zu einem Flächenbrand kommen? Talya Lador-Fresher, Israels Generalkonsulin in München, versucht Antworten auf die wichtigsten Fragen zu geben.

Frau Lador-Fresher, welche Emotionen erreichen Sie aus Israel?

Wir stehen noch immer unter Schock. Meine Familie und meine Freunde leben in Israel. Wir haben noch nicht alle Toten beerdigt. Unser Präsident sagte schon: Seit dem Holocaust sind nicht mehr so viele Juden an einem Tag getötet worden. Aber es geht weniger um die Zahl als um die Brutalität: Das Ziel der Hamas war, Zivilisten auf barbarischste Weise zu töten – so wie es der IS getan hat.

Heißt: Die Hamas muss wie der IS eliminiert werden?

Ja. Wir und der gesamte Westen müssen nun genauso entschlossen gegen die Hamas vorgehen.

Israel hat Gazas Evakuierung angeordnet. Beginnt eine Bodenoffensive?

Wir warten noch. Aber man muss ehrlich sein: Israels Militär-Operationen können nicht mehr so präzise sein, wie sie es in der Vergangenheit waren. Mehr als 300 000 Reservisten sind in Bereitschaft. Wir halten uns alle Optionen offen.

Die Hamas hindert die Zivilbevölkerung an der Flucht. Welche Konsequenz hat das für Israels Vorgehen?

Das erste Ziel der Hamas sind die Juden in Israel – auch wenn der Preis dafür ist, die eigene Bevölkerung als Schutzschild zu nehmen.

Wie kann man die Zivilbevölkerung im Gazastreifen aus dem Krieg raushalten? Was ist mit humanitären Korridoren?

Es ist noch viel zu früh für diese Fragen. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir uns verteidigen. Wir müssen tun, was getan werden muss.

Sind Sie mit der Reaktion aus Berlin zufrieden?

Es gab starke Worte aus dem Bundestag: Berlin hat Israel volle Solidarität zugesagt. Die Frage ist, ob Deutschlands Versprechen auch bis nächste oder übernächste Woche halten wird. Ich erwarte, dass alle Demonstrationen abgesagt werden, die unter dem Deckmantel der Solidarität für die zivile Bevölkerung antiisraelische und antisemitische Hetze verbreiten.

Befürchten Sie, die Solidarität mit Israel könnte schwinden – vor allem, wenn nun Zivilisten im Gazastreifen den Preis für den Terror zahlen müssen?

Ja, das beschäftigt mich. Die Frage ist, wie lange das Mitgefühl für Israel anhält. Denn es wird sicher nicht bei einem Sechstagekrieg bleiben.

Mit welcher Dauer rechnen Sie?

Wir können mit Wochen rechnen. Aber das kann man nicht vorhersehen. Das hängt auch von der internationalen Staatengemeinschaft ab: Dieser Krieg betrifft uns alle. Es ist ein Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei.

Besteht die Gefahr einer weiteren Front?

Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Aber Israel ist entschlossen, sich zu verteidigen. Auch gegen die Hisbollah, die nicht besser als die Hamas ist.

Warum wurde die Regierung von dem Angriff so überrumpelt?

Das ist eine wichtige Frage. Aber jetzt führen wir Krieg. Sobald wir ihn gewonnen haben, können wir aufarbeiten, wie es zu all dem kommen konnte – und wie unsere Beziehung zu den Palästinensern künftig aussehen kann. Interview: Kathrin Braun, Marcus Mäckler

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