Gespräche unter größter Geheimhaltung

von Redaktion

CSU und Freie Wähler sind sich einig über eine Koalition – wäre da nicht noch die offene Frage des Personals

München – Den Chefs ist es bitterernst mit der Geheimhaltung, sie ziehen alle Register. Der Entwurf des Vertrags wird den Unterhändlern nur auf Papier ausgeteilt, damit es ja niemand heimlich per Mail weiterleiten kann. Jedes Exemplar ist mit einer Art Wasserzeichen versehen, „MPR“ steht da also auf dem Ausdruck für den Ministerpräsidenten, auf den meisten anderen ein Name, so kann sofort enttarnt werden, falls ein Dokument per Handy abfotografiert wurde. Und, logisch, hinterher werden alle Ausdrucke eingesammelt.

Das mag drollig klingen, aber es ist professionell für Koalitionsverhandlungen mit dem Anspruch auf Vertraulichkeit. Bisher hat das gehalten. Was Markus Söder für die CSU und Hubert Aiwanger für die Freien Wähler mit ihren je rund zehnköpfigen Delegationen verhandelt haben, blieb fast anderthalb Wochen vertraulich – kein öffentliches Zerreden von Zwischenständen. Erst voraussichtlich am morgigen Donnerstagnachmittag soll der Koalitionsvertrag für Bayern veröffentlicht und im Landtag unterschrieben werden.

Tatsächlich ist der Vertrag nach jetzigem Stand wohl gar nicht so spektakulär, ist zu hören. Alle Fachfragen sind geeint. Die strittigen öffentlichkeitswirksamen Fragen, welche Seite welches Ministerium mit welchem Zuschnitt bekommt, sind erst heute an der Reihe. Das handeln Söder und Aiwanger in einer Viererrunde mit den Fraktionschefs Klaus Holetschek und Florian Streibl aus. Hier kann es noch mal Knatsch geben, weil die Freien Wähler ein viertes Ressort beanspruchen. Söder könnte das lösen, indem er ein weiteres Ministerium schafft, ein eigenes Bau-Ressort womöglich – das ist aber nur Spekulation. Agrar soll jedenfalls nicht an die Aiwanger-Truppe gehen.

Es wird wie angekündigt eine Präambel geben für den Vertrag, eine Folge der Flugblatt-Affäre rund um Aiwanger. In FW-Kreisen wird allerdings eine Fassung gezeigt (Wasserzeichen inklusive), die Aiwanger nicht brüskiert. Stattdessen bekennen sich auf 2,5 Seiten CSU und FW gemeinsam zu „Demokratie und Rechtsstaat“ in schwierigen Zeiten, in denen das System von Radikalen herausgefordert werde. Beide Partner geloben, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

Das Vertrauen hat gelitten, gerade zwischen Söder und Aiwanger. In den Verhandlungen rummste es dennoch nur zweimal. Anfangs bei der ersten grundsätzlichen Aussprache; zu Beginn der letzten Sitzung dann erneut, als sich Söder gegen engere Vorgaben verwahrte, in welcher Form er seine Politik vorab mit dem Koalitionspartner abzusprechen habe.

Inhaltlich sind die Streitfragen gelöst, zum Teil in Kompromissen abgeschichtet. Gemeinsames Ziel: keine neuen Schulden, „Stabilität“ soll eines der Schlagworte für den Haushalt sein. Ein großer Sprung beim Bürokratie-Abbau soll gelingen, die Koalition startet eine Offensive, Regeln und Vorgaben auszudünnen. Stärker werden soll der Staat mit zusätzlichen Stellen für Polizei und Grenzpolizei und in der Bildungspolitik für Lehrer, Schulsozialarbeiter und Verwaltungskräfte. Die milliardenschwere Hightech-Agenda für Forschung und Wirtschaft wird fortgesetzt. Konsens war und ist in der Migrationspolitik, bayernweit stärker auf Sachleistungen und eine Bezahlkarte zu setzen.

Hier und da waren Deals nötig: Der letzte Entwurf enthält kein flammendes Plädoyer für eine Widerspruchslösung in der Organspende, die Holetschek als früherer Gesundheitsminister favorisiert. Dafür setzen sich die Freien Wähler nicht mit der Idee durch, das Wahlalter in Bayern auf 16 zu senken.

Zeitplan: Noch diese Woche könnte das FW-Personal benannt werden, die CSU-Minister folgen erst bis 6./7. November. Zwischendurch am 31. Oktober steht Söders Wahl zum Ministerpräsidenten an. C. DEUTSCHLÄNDER

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