Das plant die Bayern-Koalition

von Redaktion

Der Vertrag von CSU und Freien Wählern steht – Mehr Polizisten, Führerschein ab 16 und ein kleineres Konzerthaus

München – 85 Seiten, ein Leitmotiv: „Freiheit und Stabilität – Für ein modernes, weltoffenes und heimatverbundenes Bayern“, so lautet der Titel des Koalitionsvertrags von CSU und Freien Wählern. Der Text enthält auch viele Forderungen an den Bund. Bei unserem Überblick über die wichtigsten Punkte konzentrieren wir uns aber auf Themen, die in die Zuständigkeit der Staatsregierung fallen:

Sicherheit: Die Gesamtmitarbeiterzahl der Polizei einschließlich der Grenzpolizei soll bis 2028 um 2000 auf über 47 000 Stellen steigen. Vor allem an öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen soll die Präsenz erhöht werden. Die Schleierfahndung wird im Grenzraum intensiviert.

Migration: Hier liegen viele Kompetenzen beim Bund, an den sich die Forderung nach einer „Wende in der Migrationspolitik“ richtet – inklusive „einer realistischen Integrationsgrenze für Deutschland“. Für Asylbewerber wird „soweit rechtlich möglich“ aufs Sachleistungsprinzip umgestellt. Die Bezahlkarte, in Erding mal erprobt, soll jetzt landesweit kommen. Für Geflüchtete werden gemeinnützige Jobs gesucht. Zudem heißt es: „Wir werden auf Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber dann verzichten, wenn ein fester Arbeitsplatz oder ein Ausbildungsvertrag besteht und keine Straftaten oder Gefährdungslagen vorliegen.“

Justiz: Mehrfach taucht im Text die Entschlossenheit auf, gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen und einzelne Personengruppen zu schützen. Bis 2026 sollen an den Gerichten flächendeckend der elektronische Rechtsverkehr und die e-Akte eingeführt werden. In Marktredwitz und Passau sollen neue Justizvollzugsanstalten gebaut werden. Jedes Justizgebäude in Bayern erhält ein Sicherheits-Update, um alle Beteiligten zu schützen.

Verkehr: Das „Autoland Bayern“ soll in die Zukunft geführt werden – mit einem Ausbau einer E-Ladeinfrastruktur und Berücksichtigung von E-Fuels. Neu: In „besonderen Ausnahmefällen“ (Fahrten von und zur Arbeits- und Ausbildungsstätte) kann schon ab 16 der Führerschein Klasse B erteilt werden, besonders auf dem Land. Die Koalition verspricht 1500 Kilometer Radwege bis 2030. Die Schiene soll ausgebaut und voll elektrifiziert werden. Ambitioniert: ein S-Bahn-Ring in München. Es gibt ein klares Bekenntnis zur zweiten Stammstrecke, „ohne Wenn und Aber“, ergänzt Ministerpräsident Markus Söder. Etwas kurios: Bis 2028 will man 100 weitere barrierefreie Bahn-Stationen schaffen – dabei hatte einst Seehofer bis 2023 komplette Barrierefreiheit versprochen.

Startbahn: Hier bleibt es bei der alten Formel: Über die Notwendigkeit einer dritten Start- und Landebahn gebe es „unterschiedliche Auffassungen. Die Planungen für deren Bau werden auch während der aktuellen Legislaturperiode nicht weiterverfolgt.“

Familie: Die Koalition verspricht 180 000 neue Kinderbetreuungsplätze bis 2028: 50 000 für Kinder unter 6 Jahren, 130 000 neue Ganztagsplätze für Grundschulkinder. 200 neue Studienplätze für soziale Arbeit und Kindheitspädagogik sind zugesagt. Familiengeld gibt’s weiterhin. Soziales: Bayern will ein Gehörlosengeld starten. Für die Tafeln und Bahnhofsmissionen soll es mehr Geld geben. Der zugesagte Aktionsplan „Queer“ kommt: „Wir stärken unsere Beratungsangebote für Menschen, die Diskriminierungen ausgesetzt sind.“

Kultur: Viele hatten nicht mehr damit gerechnet, doch die Staatsregierung hält am Konzertsaal im Münchner Werksviertel fest. Die Planungen sollen aber „redimensioniert“ werden. Auf Deutsch: kleiner und billiger. Söder verweist auf Nachfrage auf die „enormen Kosten“, das bleibe „keine leichte Sache“.

Forschung: Die „Hightech- Agenda“ wird fortgeführt – sie ist ein Kernstück der Regierung, um Bayern moderner zu machen, läuft aber meist unter dem Radar der Öffentlichkeit. Sie soll „verstetigt“ werden, auch wenn die Ankündigungen teils vage bleiben. In jedem Landkreis soll ein Technologietransferzentrum geschaffen werden. Die neue Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie der TU München in Ottobrunn soll „zur größten in Europa“ weiterentwickelt werden. Ein „Masterplan Kernfusion“ soll auf einen Forschungsreaktor zusteuern. Wirtschaft: Der Ladenschluss wird etwas gelockert. Lange Einkaufsnächte werden ausgebaut. Digitale Kleinsupermärkte dürfen durchgehend laufen. Die Fördermittel für die Verteidigungsforschung werden weiterentwickelt. Die Halbleiterindustrie soll weiter hier angesiedelt werden.

Finanzen: Bayern bleibt einer soliden Haushaltspolitik verpflichtet. Es soll keine neuen Schulden geben, auch kein Umgehen der Schuldenbremse durch „Sondervermögen“ wie im Bund. „Schulden, die wir zur Finanzierung der Sonderbelastungen im Zuge der Bekämpfung der Corona-Krise aufnehmen mussten, werden wir ab 2024 kontinuierlich zurückführen“, heißt es. Unklar ist jedoch, wie die vielen Versprechen finanziert werden – die Haushaltsverhandlungen nach der Steuerschätzung werden härter. Klima/Umwelt: Die Klimaziele, an denen Aiwanger rüttelte, werden bekräftigt – Bayern soll 2040 klimaneutral sein. Es wird einen zweckgebundenen Wasser-Cent geben. Die Koalition will gegen jede Form der Privatisierung beim Wasser kämpfen. Neue Vorstöße und konkrete Ziele gibt es im Bereich Umwelt aber kaum, ein dritter Nationalpark wird abgelehnt. Der Bund Naturschutz spricht von einem Rückschritt. „Die Staatsregierung war, besonders zu Beginn der letzten Legislatur, hier deutlich weiter“, sagt der Vorsitzende Richard Mergner. Die „Flächenneuinanspruchnahme“ soll bis 2030 auf fünf Hektar pro Tag halbiert werden. Die Koalition bekennt sich zwar weiter zu Atomkraftwerken, stellt aber fest: Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geologisch geeigneter Standort für ein Atomendlager ist. Es bleibt beim bekannten Ziel von 1000 neuen Windrädern bis zum Jahr 2030. Bürokratieabbau: „Erleichtern, ermöglichen, ermutigen“, nennt CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek als Leitmotiv für den Abbau von Papierkram und Regelungswut. Bis nächstes Jahr soll jede zehnte Verwaltungsvorschrift fallen. Die Koalition plant eine Paragrafen-Bremse: für jeden neuen müssen zwei alte raus. Baurecht, Denkmalschutz und Gaststättenrecht werden entschlackt. Neue Regeln sind auf maximal fünf Jahre befristet. Staatliche Gebühren werden zwei Jahre nicht erhöht. Komplizierte Formulare werden vom Amt vorausgefüllt. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zollt diesem Kapitel und dem Vertrag insgesamt Lob: „Besonders zu begrüßen sind die ambitionierten Vorhaben zum Bürokratieabbau und zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.“ Bauen: Der Handlungsbedarf ist groß, vor Zielvorgaben schreckt die Koalition aber zurück. Zu viele Versprechen wurden zuletzt nicht eingehalten. Die drei staatlichen Wohnungsbaugesellschaften (BayernHeim, StadiBau und Siedlungswerk Nürnberg) sollen zusammengefasst und mit „mehr Eigenkapital“ ausgestattet werden. Programme für billige Zinsen werden ausgeweitet, Mittel der Kommunen für Kitas oder Schulen erhöht. Konkreter wird es nicht.

Landwirtschaft: Freiwilligkeit statt Ordnungsrecht soll die Agrarpolitik weiter prägen. Grundlage dafür ist der mit dem Bauernverband geschlossene Zukunftsvertrag. Seit Jahren klagen die Bauern über die wachsende Bürokratie – Bayern führt jetzt ein „Bürokratie-Frühwarnsystem“ und einen Landwirtschaft-Praxis-Check ein. Ausdrücklich bekennt sich die Koalition zur Tierhaltung und verspricht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Schäden durch Wolf, Bär und Fischotter abzuwenden. Werbeverbote für Lebensmittel werden strikt abgelehnt.

Gesundheit: Die Klinik-Förderung soll bis 2028 auf eine „Krankenhausmilliarde“ steigen. Bayern will – Details sind unklar – Landapotheken stärken. 8000 weitere Pflegeplätze sind versprochen. Die Koalition lehnt „jede Form der organisierten und geschäftsmäßigen Sterbehilfe“ ab.

Kirchen: Wenn es um die christlich-abendländische Tradition geht, sind sich CSU und FW einig: Die christlichen Kirchen sind unverzichtbar. Pläne des Bundes zur Ablösung der an die Kirchen gezahlten Staatsleistungen lehnt die Koalition ab. Wahlen: Es bleibt beim Wahlalter 18, die Freien Wähler wollten 16. Bürgermeister von Gemeinden unter 5000 Einwohnern sollen grundsätzlich hauptamtlich sein.

Medien: Die klassische UKW-Radioübertragung soll es bis mindestens 2035 geben, so wie es viele Privatradios gefordert hatten, um keine Hörer durch den Total-Umstieg auf Digitalradio zu verlieren. MIKE SCHIER, CLAUDIA MÖLLERS, CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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