Eine „Verfassungsviertelstunde“ für die Schüler

von Redaktion

HINTERGRUND Bei der Bildung dreht die Koalition an vielen Stellschrauben: Mehr Lehrer, mehr Sprachtests – und eine neue Ministerin

München – Machen, nicht über Berlin maulen – nirgends gilt das so klar wie in der Bildungspolitik, die eindeutig und vollständig Ländersache ist. Was Bayerns neue Koalition deshalb zu den Schulen in ihren Vertrag schreibt, wird 1:1 umgesetzt.

Für größte Neugier sorgen dabei zwei knappe Sätzchen im siebenseitigen Kapitel. Man führe eine wöchentliche „Verfassungsviertelstunde“ an den Schulen ein, vereinbaren die Partner. 15 Minuten Gespräch über Werte, Verfassung, Grundgesetz. Details sind noch nicht klar. Aber, so komprimiert es Ministerpräsident Markus Söder (CSU): Informationen über Politik dürften nicht nur „von TikTok-Algorithmen“ abhängen. Die hohen AfD-Werte bei den U18-Wahlen haben die Koalition irritiert.

6000 Stellen für neue Lehrer soll es geben, wo auch immer man die herbekommen will. Dazu 3000 Schulpsychologen, Sozialarbeiter und Verwaltungskräfte. Es ist der größte Aufwuchs im gesamten Koalitionsvertrag. Die zuletzt verzögerten Beförderungen sollen durch Stellenhebungen beschleunigt werden, auch über die Schulen hinaus. Lehrer sollen von Bürokratie entlastet werden, erhalten aber kein höheres Stundendeputat. Bis 2028, wenn dieser Koalitionsvertrag endet, soll ab der fünften Klasse jeder Schüler ein digitales Endgerät haben, dafür gibt es Zuschüsse an die Eltern, an Grund- und Förderschulen Leihgeräte.

Auf Druck der CSU werden im Vertrag auch die Sprachtests festgeschrieben (Entscheidung bei Kita und Schule, nicht den Eltern), ein verpflichtendes Vorschuljahr und für Ältere nötigenfalls Sprachklassen. In der Grundschule soll stärker auf die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen und Textverständnis geachtet werden. Und: Neu ist ein Ausbau des Schulschwimmens, es soll in der 1. Klasse eine dritte Sportstunde geben. An der Inklusion (von der AfD andernorts infrage gestellt) hält die Staatsregierung fest. Außerdem im Vertrag: Das Erproben einer sechsstufigen Wirtschaftsschule. Und: Jeder Schüler soll mindestens einmal eine KZ-Gedenkstätte besuchen. „In Zeiten zunehmender Radikalisierung an den Rändern der Gesellschaft“ sei das wichtig, machen die Koalitionäre klar.

Umsetzen soll all das eine Ministerin. Die Freien Wähler ziehen Michael Piazolo ab; wohl gegen seinen Wunsch. Seine bisherige Staatssekretärin Anna Stolz, öffentlich komplett unauffällig geblieben, soll das Ressort führen. Die 40-jährige Juristin kommt aus Franken. Ihr bisheriger Staatssekretärs-Posten kann ersatzlos wegfallen.

Parteichef Hubert Aiwanger scheint dem Thema eh wenig Bedeutung beizumessen. Vor der Presse spricht er zwar über Wildschweinschäden im Wald, nicht aber über das Bildungsressort. Die Frage, warum es zum Ministerwechsel gekommen sei, will er nicht beantworten. Hinter vorgehaltener Hand heißt es in der FW-Spitze nur, bei vier Ministerposten habe mindestens einer durch eine Frau besetzt werden müssen. Und für Digitales stand schlicht keine Kandidatin bereit.  cd/mik

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