„Es braucht Wucht – kein Klein-Klein“

von Redaktion

INTERVIEW Markus Söder reist mit klaren Forderungen an den Kanzler zum Asylgipfel am Montag

Wird es ein Ruck? Oder nur das übliche Ritual, ein bisschen Hakelei und dann Vertagen? Mit Spannung schaut Deutschland auf das Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Montagnachmittag in Berlin. Es soll um die Asyl-Wende in Deutschland gehen. Aus fast allen Parteien und Ländern kommt die Forderung nach einer harten Kurskorrektur. Wir haben mit Bayerns soeben wiedergewähltem Regierungschef Markus Söder gesprochen – was verlangt der CSU-Chef vom Treffen mit dem Kanzler? Söder (56) stellt seine Pläne vor. Und erneuert das Angebot für eine Koalition ohne die Grünen.

Am Montag ist Asylgipfel. Führende Ampelpolitiker signalisieren Handlungsbereitschaft, der Kanzler will im großen Stil abschieben. Glauben Sie an einen Durchbruch?

Es braucht eine grundlegende Wende in der Migrationspolitik. Wir stehen vor einer völligen Überforderung der Kommunen und die politische Stabilität des Landes ist gefährdet. Das jüngste rotzfreche Auftreten von völkischen Abgeordneten der AfD im Bayerischen Landtag ist ein klarer Beleg: Die Antidemokraten fühlen sich stark und sicher, weil sie glauben, die Demokraten könnten die Migrationsprobleme nicht lösen. Deswegen braucht es jetzt eine wuchtige Neuordnung und kein typisches Ampel-Klein-Klein mehr.

Ganz konkret: Was sind Ihre Forderungen?

Das Wichtigste ist: Wir brauchen eine Integrationsgrenze und müssen die sozialen Pull-Faktoren nach Deutschland auf das europäische Maß reduzieren. Das kann nur über gesenkte Sozialleistungen funktionieren. Erstens: Nur noch Sachleistungen, kein Geld mehr – die Bezahlkarte soll überall kommen. Zweitens: Der Übergang von Asylleistungen in normale Sozialleistungen muss viel später erfolgen. Nicht schon nach 18 Monaten, sondern nach fünf Jahren. Und drittens: Bürgergeld und Asylleistungen müssen entkoppelt werden. Es kann nicht sein, dass jemand, der noch nie einbezahlen konnte, die gleichen Leistungen bekommt wie jemand, der sein Leben lang gearbeitet und eingezahlt hat.

Letzteres richtet sich an die Ukrainer, die sofort Bürgergeld bekommen.

Für die Zukunft soll gelten: Es darf keine Vermischung von Bürger- und Asylgeld geben.

Wird Bayern auch im Alleingang das Sachleistungsprinzip einführen?

Ja. Wir stehen für Sachleistungen über eine Bezahlkarte, mehr gemeinnützige Arbeitsangebote für Asylbewerber und verpflichtende Sprachtests als Integrationsvoraussetzung an der Schule. Aber es wäre gut, wenn uns alle Länder folgen würden.

Ihr NRW-Kollege Hendrik Wüst will Asylverfahren in Afrika abwickeln. Ist das realistisch?

Das ist seit vielen Jahren eine Forderung der CSU. Wir müssen in dieser Lage alles überdenken. Das gilt auch für das Grundrecht auf Asyl in seiner jetzigen Form. Vielleicht braucht es eine kluge Weiterentwicklung des Verfassungsrechts. Beides würde dazu beitragen, dass wir an der deutschen Grenze jene wirksam zurückweisen können, die eigentlich keinen Anspruch auf Schutz haben. Und: Es kann nicht sein, dass bereits abgelehnte Bewerber immer wieder neue Anträge stellen. Dazu brauchen wir klare Regeln. Denn das ist auch gerechter gegenüber jenen, die verfolgt werden und zu Recht auf unsere Hilfe vertrauen.

In der Ampel rumort es vernehmlich. FDP-Chef Lindner sagt, es könne einen Punkt geben, wo er sagt, besser nicht regieren als falsch regieren. Gilt Ihr Angebot einer Großen Koalition noch?

Im Grunde genommen ist das doch schon auf dem Weg. Es soll einen Deutschlandpakt geben mit den Ländern, dazu Gesetzesverschärfungen im Bundestag und der Kanzler lädt die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU zu sich ein – all das sind Vorboten einer veränderten Statik der Politik. Für die Union ist jedoch wichtig, dass wir nicht nur der Helfer in der Not für die Ampel sind – sondern dass eine grundlegende Wende in der deutschen Migrationspolitik stattfindet. Wenn die Grünen nicht mehr in der Lage sind, unser Land mitzuregieren, dann sollten sie von sich aus den Weg aus der Regierung nehmen.

Und dann?

Dann gibt es entweder Neuwahlen oder einen Regierungswechsel im Parlament – realistischerweise wäre das eine Neuauflage einer Großen Koalition. Ich finde Schwarz-Rot in jedem Fall besser als Schwarz-Grün.

In der CDU ist man da zurückhaltender. Manche warnen, man hole am Ende bloß für die SPD die Kohlen aus dem Feuer.

Es geht jetzt ums Land. Mitzuregieren hieße übrigens, nicht nur in der Migrationspolitik die Wende einzuleiten, sondern auch in der Wirtschafts- und Energiepolitik. Es ist ja besorgniserregend, mit welcher Geschwindigkeit Deutschland zurückfällt. Gerade der grüne Wirtschaftsminister hat dagegen leider kein Konzept.

Würden Sie heute noch auf den regulären Wahltermin im Herbst 2025 wetten?

Ich bin mir nicht sicher.

Hat die Merkel-Koalition, wie Ihr Koalitionspartner Aiwanger mit Blick auf den neuen Antisemitismus im Land sagt, viel „Unsinn“ ins Land geholt?

Dazu habe ich von den Freien Wählern bisher wenig gehört. Was aber stimmt: Seit vielen Jahren wächst die Sorge vor Parallelgesellschaften. Wir plädieren seit jeher für den Grundsatz von Humanität und Ordnung. Es war aber eine blauäugige Idee von Grünen und Linken, Migration könne ohne jegliche Probleme ablaufen. Integration ist eine schwere Arbeit und geht nicht zum Nulltarif. Wir müssen auch endlich klar sagen: Wer sich nicht zu unseren Werten bekennt und nicht zu unserer Verfassung steht, hat keine dauerhafte Perspektive in unserem Land. Und wenn zum Beispiel jemand mit einer doppelten Staatsbürgerschaft unsere Verfassungsgrundsätze missachtet, dann sollte er seinen deutschen Pass wieder abgeben.

Bei Fridays for Future gab es zuletzt auch antisemitische Töne. Überraschung?

Links ist nicht automatisch moralisch gut, auch wenn diese absurde These lange gepflegt wurde. Umso verstörender ist es, wenn nun selbst eine junge Gruppe wie FFF, die mit dem Anspruch antritt, moralisch über andere erhaben zu sein, anfällig für uralte Parolen ist. Da kann es keinen Welpenschutz für Fridays for Future mehr geben.

In der UNO hat die deutsche Außenministerin zuletzt nicht gegen eine Resolution gestimmt, die von der Hamas gefeiert wurde. Gilt das deutsche Wort der uneingeschränkten Solidarität mit Israel noch?

Das ist eine äußerst unglückliche Entscheidung der Außenministerin. Selbst wenn man zu ihren Gunsten guten Willen und taktische Gedanken annehmen möchte: Es ist ein Fehler, im Moment klarer Entscheidungen die notwendige Klarheit vermissen zu lassen. Das reiht sich ein in viele unglückliche Handlungen der Außenministerin. Ich fühle mich als Staatsbürger von ihr nicht gut vertreten.

Lassen Sie uns noch mal zur Innenpolitik kommen. Sahra Wagenknecht hat der CDU Koalitionen in Ostdeutschland angeboten. Sollte die Union darauf eingehen?

Abwarten, ob aus dieser Wagenknecht-Ego-Show wirklich eine echte Partei wird. Spannend finde ich, wie sehr sich die AfD davor fürchtet. Wir als Demokraten sollten jedoch nicht ängstlich vor Extremen von rechts und links stehen. Sondern beherzt, klar und konsequent handeln, Probleme lösen und Führung zeigen. Die Union kann sich jetzt als starke, seriöse Kraft auch des Ostens definieren und etablieren. Dann lassen wir die Nein-Sager, Destruktivisten, Egoisten am Rande stehen.

Das war jetzt kein klares Nein zu einer Koalition.

Für die CSU ist das klar. Aber für die CDU entscheiden das die Kollegen vor Ort. Die Union sollte jedenfalls so stark wie möglich werden und mit demokratischen Kräften vor Ort zusammenarbeiten.

Bei der Bundestagswahl 2025 droht der CSU wegen des neuen Wahlrechts das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde – erst recht, wenn Aiwanger und Wagenknecht mit eigenen Parteien antreten. Muss der CSU-Chef dann selbst die Liste anführen, notfalls nach Berlin gehen?

Interessant, auf welche Ideen Sie kommen (lacht). Die CSU wird ganz sicher im nächsten Bundestag vertreten sein. Andere Parteien, gerade in Bayern, werden für Berlin keine große Rolle spielen, denn sie haben keine ernsthafte Bundeskompetenz. Zunächst geht es ohnehin um die Europawahl. Da müssen wir noch klarer herausarbeiten, was unsere Kernkompetenz für Europa ist und warum es uns braucht. Dazu werden wir erst eine schlagkräftige Europaliste aufstellen und ein kantiges und klares Europaprogamm als CSU vorstellen.

War die Antwort auf die Frage: Nein?

Mein Platz ist – Achtung! – unverändert in Bayern (lacht wieder).

Ach ja, da müssen Sie ja nun nächste Woche Ihre Minister benennen. Wird es größere Änderungen geben? Oder gelten Ihre Job-Zusagen alle?

Es wird ein starkes Kabinett werden. (Pause)

Punkt?

Ausrufezeichen.

Wir hätten auf ein Komma gehofft.

Ich bin sehr zufrieden, wie rasch, geräuschlos und konstruktiv das in den Wochen seit der Wahl gelaufen ist. Im Koalitionsvertrag steht alles drin, was Bayern braucht. Auch die Wahl des Ministerpräsidenten mit allen Stimmen von CSU und Freien Wählern ist ein gutes Signal für eine geschlossene Koalition. Da ist neues Vertrauen entstanden. Das ist eine stabile Basis für die nächsten fünf Jahre.

Interview: Georg Anastasiadis und Christian Deutschländer

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