München/Erding – Mit Nebenjobs kennt sich Ulrike Scharf (55) aus. Den letzten Monat hatte sie selbst einen: Übergangsweise musste die Ministerin für Arbeit und Soziales, eh ein großes Portfolio, auch das vakante Gesundheitsministerium führen. Es scheint nichts dabei schiefgegangen zu sein. Im Ergebnis darf die Erdingerin nämlich nicht nur Ministerin bleiben – sondern bekommt den nächsten, nun ja, Nebenjob zugeordnet.
Scharf ist ab sofort stellvertretende Ministerpräsidentin. In der Praxis ist das irgendwas zwischen Ehrentitel und Mehraufwand. Formal vertritt Scharf also den Ministerpräsidenten, falls er und der reguläre Stellvertreter Hubert Aiwanger (FW) verhindert sind. Das wird nicht oft der Fall sein, deshalb hat der Titel für Scharf drei weitere Zwecke: Es soll eine Stärkung des Sozialministeriums sein, das ihr untersteht. Es soll ein Gegengewicht zu Aiwanger sein, dem nach seiner Flugblatt-Affäre viele CSUler gern den Vize-Titel genommen hätten, was er nicht zuließ. Und: Es soll eine Geste an die Frauen in der Politik sein.
Da klafft nämlich im 17-köpfigen Kabinett um Söder eine Lücke. Nur vier Frauen, das lässt sich mit größter Rechenkunst nicht zur versprochenen Parität schönrechnen. Von einem „Armutszeugnis“ spricht Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sogar, eine Frauenquote von 22 Prozent sei „beschämend niedrig – die Ansichten und die Arbeit von Frauen sind für Söder offenbar völlig irrelevant“.
Scharf zu stärken, die ja auch Chefin der Frauen-Union in der CSU ist, soll dieses Defizit etwas kaschieren. Dieses Argument leuchtet, so ist zu hören, auch Innenminister Joachim Herrmann ein, der den „Vize-Vize“-Titel bisher hatte und klaglos abtritt.
Die erste Frau in dieser Funktion ist Scharf nicht. Sie hat hier klangvolle Vorgängerinnen. Mathilde Berghofer-Weichner war zwischen 1988 und 1993 Vize-Ministerpräsidentin; Barbara Stamm Ende der 90er; die Oberbayerin Christa Stewens war es 2007/08. „Es kommt immer drauf an, was man daraus macht“, sagt Stewens (78) heute. „Neben Aiwanger ist es sicher nicht einfach.“ Scharf traue sie zu, dass sie das Amt „ernst nehmen und ausfüllen wird“. Stewens betont auch, das sei „für die Sozialpolitik eine Aufwertung, die dringend notwendig ist“.
Scharf selbst, übrigens frischgebackene Großmutter, äußert sich „wirklich sehr froh und glücklich“ über die Wiederberufung und Beförderung. Sie erfuhr schon am Dienstag davon. Nun klingt die Personalie sehr schlüssig. Davor war aber auch über einen Tausch in ihrem Ressort spekuliert worden. Sie kämpfte für den Verbleib: „Ich habe deutlich gemacht, dass ein Wechsel im Ministerium nicht gut gewesen wäre, es wäre der fünfte Minister in zehn Jahren gewesen.“ cd/ham