„Wer sind Sie denn, sind Sie einer der Entführer?“ – „Natürlich, wer wohl sonst!“

von Redaktion

PROTOKOLL EINES UNGEWÖHNLICHEN TELEFONATS IM MÜNCHNER PRESSEHAUS

Es ist 23.20 Uhr, als das Telefon von Redakteur Thomas Koch klingelt. Tatsächlich ist Entführer Peter K. dran. Er ruft vom Hauptbahnhof aus an, um ein Auge auf das nahe Pressehaus zu haben, wie sich später herausstellt. Das Gespräch im Wortlaut: Entführer: „Das hat alles nicht so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir wollen nur an das Geld ran, passieren tut nichts.“

Thomas Koch: „Wer sind Sie denn, sind Sie einer der Entführer?“

Entführer: „Natürlich, wer wohl sonst! Können Sie nicht einen Pfarrer zur Übergabe des Geldes schicken? Uns liegt nur am Geld.“

Koch: „Nicht einfach. Wo soll ich jetzt um halb zwölf in der Nacht einen Pfarrer aufgabeln? Und wie weiß ich, dass Sie wirklich der Entführer sind?“

Entführer: „Nennen Sie mir Bedingungen. Was soll Evi auf Band beantworten?

Koch: „Ja, was jetzt in aller Eile? Nennen Sie mir die Telefonnummer, unter der Sie den Tag über Herrn Jahn angerufen haben. Und fragen Sie die Evelyn, wer bei ihrer Old-Style-Eröffnung in Speyer an Prominenz da war.“

Entführer: „Die Telefonnummer hab ich im Auto draußen. Ich rufe Sie um 23.45 Uhr wieder an. Legen Sie ruhig auf.“ (…) „Also, die Telefonnummer ist sechs, vier, fünf, vier, sieben, eins. Das mit dem Telefonband dauert etwas länger – bis ich da rausgefahren bin. Um 1 Uhr ruf ich wieder an.“ (…) „Die Übergabe soll um 3.15 Uhr stattfinden. Ein Reporter von Ihnen oder irgendjemand fährt auf der Ingolstädter Straße stadtauswärts. Dort, wo die leichten Mädchen sind, soll er links abbiegen auf einer geteerten Straße.“

Koch: „Wir sind hier bereit dazu, allerdings darf nichts passieren. Wir sind hier keine Helden. Uns geht’s allein um das Leben von Evelyn Jahn. Darf ich Herrn Jahn auch informieren? Oder darf Herr Jahn selbst kommen?“

Entführer: „Uns ist’s egal, wer kommt. Wir wollen vorher nur die Nummer des Wagens wissen.“

Koch: „Ja, jetzt noch eins: Wie geht’s der Evelyn? Wir machen mit, wenn ihre Freilassung sofort gegen das Geld erfolgt.“

Entführer: „Gut, ist uns recht. Die Evelyn bringe ich mit und übergebe sie, wenn ich das Geld inspiziert habe – ja?“

Koch: „Ja, gut. Wer kommt, weiß ich jetzt noch nicht. Sie rufen ja wieder an. Ich warte. Auf Wiederhören.“ (…) Entführer: „Wie steht’s jetzt? Wir halten uns an die Abmachung um 3.15 Uhr. Hier ist die Tonband-Antwort: Hallo, da ist Evelyn Jahn. Ich wundere mich über diese Frage, weil ich mich nicht daran erinnern kann, dass Sie dort waren. Cindy und Bert waren da, der Kaplan aus der Schweiz, mein Vater und der Bürgermeister… – Klar?“

Koch: „Einverstanden. Ich erkenne Evelyn an der Stimme. Zum Übergeben kommt Herr Steinberg in einem Mercedes. Nummer: M-WW 239. Er ist pünktlich. Es muss nur alles ohne Gefahr ablaufen.“

Entführer: „Es passiert nichts. Bedingung ist, die Polizei nicht einzuschalten, sonst gibt’s da draußen ein furchtbares Gemetzel. Vier Leute stehen dort – ich bin der fünfte.“

Koch: „Gut. Ich werde die Polizei nicht informieren. Wie abgemacht. Die nächsten zwölf Stunden nicht.“

Entführer: „Jawohl. Es besteht keine Gefahr.“

Koch: „Sollte etwas dazwischenkommen, eine Reifenpanne oder so etwas, dann rufen Sie mich hier wieder an“

Entführer: „Jawohl. Alles klar. Wir sind bereit.“ aufgeschrieben von Nadja Hoffmann

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