München – Mit Arbeit verdient man nicht nur sein Geld. Der Job soll auch Spaß machen, einen erfüllen. Aber was tun, wenn’s im Job knirscht und kriselt? Wenn man sich Tag für Tag aus dem Bett quälen muss? Der Münchner Coach und Logotherapeut Andi Weiss gibt zwölf Tipps, wie Betroffene wieder Freude am Schaffen bekommen.
` Wirklich kündigen?
Fragen Sie sich ganz genau: Will ich hier wirklich nicht mehr arbeiten – oder will ich nur „so“ nicht mehr arbeiten? Was sind die Umstände, die Sie verändern wollen? Was kann ich ändern, was nicht? Daran schließt sich eine entscheidende Frage an: Zu welchen Dingen kann ich zumindest meine Einstellung ändern?
a Der Faktencheck
Manchmal fühlt sich das (Arbeits-)Leben nicht gut an. Treten Sie ein Stück beiseite und fragen sich: Sind die Umstände wirklich so, wie sie sich anfühlen? Hinterfragen Sie Sätze mit den Worten „immer“ und „nie“, also etwa: Macht mich der Chef wirklich „immer“ blöd an? Werden meine Vorschläge in Mitarbeiterrunden wirklich „nie“ angenommen?
b Augen zu und durch
In jedem Leben gibt es Durststrecken. Arbeit muss nicht immer Spaß machen und nicht immer sinnerfüllend sein. Manchmal ist ein Arbeitstag einfach ein ganz normaler Arbeitstag. Da hilft nur der Gedanke: „Auch das geht vorbei!“ Das entlastet uns in Durststrecken, die gerade viel von uns verlangen. Das macht aber auch bei Höhenflügen demütig.
c Aussortieren
Manchmal gibt es „Schlechtreder“ in unserem Umfeld. Denen kann man es nicht recht machen. Gehen Sie auf Distanz zu Menschen, die Sie, Ihre Leistung und/oder auch Ihr Umfeld immer nur kritisieren. Suchen Sie sich stattdessen Menschen, die Ihnen helfen, die Balance zu finden, die Ihre Sonnen- und Schattenseiten akzeptieren und wertschätzen.
d Kostbare Vorfreude
Während der Lockdown-Zeiten ging auch bei mir das Arbeitspensum extrem durch die Decke. Trotzdem: Egal, ob es stürmte oder schneite, am Samstag um 12 Uhr mittags wurde der Grill angeworfen. Das war der Leuchtturm, auf den ich mich die ganze Woche über freute. Suchen Sie sich also in schwierigen Zeiten schöne Ziele, auf die Sie sich freuen. Das kann eine wöchentliche Verabredung zum Essengehen sein, eine Runde sporteln, ein Wochenendausflug oder ein Ratsch mit einem lieben Menschen. Wichtig ist: Regelmäßigkeit.
e Entdecken Sie sich neu
Fragen Sie sich: „Warum habe ich mich damals eigentlich auf diese Stelle beworben?“ Paare in der Paartherapie frage ich oft, ob sie noch wissen, wann und wie sie sich kennengelernt und verliebt haben. Es gibt also einen guten Grund, warum Sie mal in genau dieser Firma arbeiten wollten. Erinnern Sie sich?
f Links liegen lassen
Je mehr Aufmerksamkeit wir einem Problem widmen, desto größer wird es. Die Folge: Wir fühlen uns immer kleiner und ohnmächtiger – in der Arbeit, nachts wach im Bett. Höchste Zeit für einen Gedankenstopp! Wie das gelingt? Indem man dem Schönen genügend Raum schenkt: Auf was können Sie sich am nächsten Tag freuen? Gehen Sie in den positiven Hyperfokus – dann haben Sie keine Kraft und Zeit mehr, sich um Negatives zu drehen.
g Private Unterstützung
Manchmal kann schon ein guter Freund helfen, der nur zuhört. Es tut gut, sich bei einem Feierabendbier mal richtig ausheulen zu können und das Gefühl zu haben, verstanden zu werden. Oft kommt man aus dem Lamentieren nicht raus, weil man sich nie getraut hat, wirklich einmal den Schmerz oder die Schwierigkeiten zu benennen. Achten Sie aber immer auf die Gesprächspartner-Wahl – und was sie für Auswirkungen haben kann. Denn es ist schwer, bei den Kollegen aus der Rolle des „Dauernörglers“ herauszukommen.
h Hilfe vom Profi
Wenn Sie merken, dass das Umfeld Ihren Bedürfnissen nicht gerecht wird oder Sie das Umfeld mit Ihren Problemen überlasten, dann hilft es, einen Profi aufzusuchen. Das kann ein Coach oder auch ein Therapeut sein. Manchmal haben unsere gegenwärtigen Konflikte mehr mit uns und unserer Geschichte zu tun als mit dem Chef oder den Kollegen.
i Work-Life-Balance
Schon Montagmittag verkünden uns die Radio-Moderatoren, dass wir schon fast den ersten Arbeitstag der Woche geschafft haben und damit schon fast die ganze Woche. Mit dieser Einstellung berauben wir uns um 5/7 unseres Lebens. Verändern Sie, was Sie verändern können, und akzeptieren Sie das Unveränderliche. Integrieren Sie das Unangenehme, sonst kostet das nur Kraft. Unsere Lieblingsgeschichte zum Thema: Ein König befahl seinem Feldherrn, alle Feinde zu vernichten. Nach Monaten ohne Nachricht schickte er einen Boten. Im feindlichen Lager fand dieser den Feldherrn und seine Feinde fröhlich feiernd. Empört fragte er, warum er sie nicht vernichtet habe. Der Feldherr erklärte: „Ich habe doch alle meine Feinde vernichtet! Ich habe sie zu meinen Freunden gemacht!“
j Dienst nach Vorschrift
Nein, es ist nicht falsch, zeitweise auch einfach nur „Dienst nach Vorschrift“ zu machen. Denn dafür wurden Sie angestellt. Große Enttäuschungen kommen meist daher, dass wir mehr geben, als wir sollen/müssen – in der Hoffnung, auch mehr Anerkennung, Wertschätzung, etc. zu bekommen. Also: erst die Pflicht, dann die Kür!
k Entscheidungen leben
Oft kommen Menschen zu mir zum Coaching, die ihre Entscheidung schon längst getroffen haben. Aber: Häufig fehlt es am Mut, diese Entscheidung auch zu leben. Einer der wichtigsten Sätze meines Lebens ist: Ungelebtes Leben macht krank! Viele Enttäuschungen, psychische und physische Erkrankungen lassen sich meiner Ansicht darauf zurückführen, dass Menschen aus Angst gegen ihren eigenen Willen leben und auch arbeiten. Wie oft haben mir nach außen sehr erfolgreich wirkende Menschen unter Tränen erklärt, dass sie das, was sie machen, gar nicht machen wollen.
EIN GASTBEITRAG VON ANDI WEISS