Technisches Meisterwerk und Problemfall zugleich

von Redaktion

Der Freistaat will das Walchenseekraftwerk auch aus Umweltgründen von Uniper zurückkaufen, aber so einfach geht das nicht

Kochel am See – 2024 jährt es sich zum 100. Mal, dass das Walchenseekraftwerk in Betrieb genommen wurde. Sein Bau war eine technische Pionierleistung und zog für die ganze Region tief greifende Veränderungen nach sich.

In der Geschichte der Anlage steht nun erneut ein wichtiger Wendepunkt an. Die Neuvergabe der Wasserrechte ab dem Jahr 2030 sorgt vorab für viele politische Debatten – und hat zuletzt infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine noch einmal eine bis dahin unerwartete Wendung genommen. Häufig ist von einer „historischen Chance“ die Rede, die nun gekommen sei, um das bis in die 1990er-Jahre staatliche Walchenseekraftwerk zurück in die öffentliche Hand zu führen.

Diese Forderung machten sich im Landtagswahlkampf etliche Parteien zu eigen, darunter Grüne und SPD. Auch Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hat bereits öffentlich die Absicht erklärt, dass der Freistaat sämtliche bayerischen Wasserkraftwerke aus dem Besitz von Uniper übernehmen solle. Ob das überhaupt möglich ist, ist aber umstritten. Jetziger Eigentümer und Betreiber des Walchenseekraftwerks ist der Konzern Uniper. Der geriet im Zuge der Energiekrise 2022 wirtschaftlich ins Straucheln, wurde mit Steuergeldern gerettet und gehört dadurch nun zu 99 Prozent dem Bund.

Hier sehen nun einige Verbände und Parteien eine willkommene Gelegenheit, um die Privatisierung des Walchenseekraftwerks rückgängig zu machen. Die Befürworter erhoffen sich davon, dass ein Betrieb durch den Staat ökologische Verbesserungen bringen könnte.

Für den in Lenggries ansässigen Verein „Rettet die Isar“ etwa hat Priorität, dass der Isar mehr Restwasser bleibt. Denn schon ab dem Krüner Wehr wird Wasser aus der Oberen Isar zur Stromgewinnung Richtung Walchensee abgezweigt. Zudem fehlt der Isar das Wasser aus den Zuläufen Rißbach, Fischbach und Alpenbach, deren Wasser seit den 1950er-Jahren durch den Rißbachstollen abgeleitet wird und das Kraftwerk in Niedernach antreibt. Es gehört ebenfalls zum Kraftwerkssystem rund um den Walchensee. Der Rißbach liegt weite Teile des Jahres trocken – auch das wollen die Naturschützer ändern.

Doch was sagt der Bund als aktueller De-facto-Eigentümer des Walchenseekraftwerks? Hier war zuletzt aus dem Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) zu hören, dass das EU-Recht einer Rückverstaatlichung im Wege stehe: „Aufgrund von beihilfe-, wettbewerbs- und kartellrechtlichen Auflagen der EU-Kommission ist eine schnellstmögliche Rückführung der Uniper SE an die Kapitalmärkte notwendig, und damit bestehen keine Grundlagen für Gespräche mit dem Freistaat Bayern über alternative Betreibergesellschaften.“

Parallel prüft das bayerische Umweltministerium noch das sogenannte Heimfallrecht, also die Möglichkeit, dass das Eigentum am Kraftwerk unter bestimmten Bedingungen an den Staat zurückfallen könnte. Nach letztem Stand besteht dieses Heimfallrecht aber wohl nur für drei kleinere Kraftwerke des Systems – Obernach, Niedernach und Kesselbachkraftwerk. In einem Punkt hat der Staat dennoch die Fäden in der Hand: Er vergibt die Konzession zur Nutzung öffentlicher Gewässer zur Energienutzung. Und die laufen rund um den Walchensee nach über 100 Jahren zum 30. September 2030 aus.

Bei der Neukonzessionierung kommt als künftiger Betreiber nach Stand der Dinge wohl weiter nur Uniper in Betracht – wem auch immer der Konzern bis dahin gehören mag. Die Erlaubnis aber kann der Staat an bestimmte Auflagen knüpfen. Die im Spannungsfeld von Versorgungssicherheit, Anlagenschutz, wirtschaftlichen Interessen und Naturschutz auszuhandeln, ist ein hochkomplexer Prozess. Er ist laut dem Umweltministerium „auf Jahre ausgelegt“. ANDREAS STEPPAN

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