Risikofaktor Vererbung

von Redaktion

Darmkrebs ist besonders tückisch. Die familiäre Vorbelastung spielt eine besondere Rolle und die Vorsorge wird noch wichtiger

München – Darmkrebs ist besonders tückisch: Wird er entdeckt, ist es oft schon zu spät. Der Kampf gegen den Darmkrebs beginnt deshalb schon mit einem Gespräch in der eigenen Familie. Wenn Verwandte ersten Grades – also Eltern oder Geschwister – bereits an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sind, ist das persönliche Risiko um mehr als das Vierfache erhöht. Das ergab eine sogenannte Metaanalyse, in die 20 Studien eingeflossen sind. „Dabei hat sich die erbliche Vorbelastung als mit Abstand wichtigster Risikofaktor bei jüngeren Patienten herauskristallisiert“, sagt Privatdozent Dr. Holger Seidl.

Mediziner beobachten mit Sorge, dass immer mehr junge Menschen die Diagnose Darmkrebs erhalten. Besonders auffällig ist die Zunahme in der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen. Auch deshalb rät Seidl, Direktor der Klinik für Gastroenterologie im Münchner Isarklinikum, allen direkten Angehörigen von Darmkrebs-Patienten zu einer Vorsorgekoloskopie. Diese Darmspiegelung solle möglichst frühzeitig erfolgen – idealerweise zehn Jahre vor jenem Alter, in dem die Verwandten erkrankt sind. Spätestens aber mit 40 Jahren.

Ein Beispiel: Wurde bei der Mutter mit 45 Jahren Darmkrebs entdeckt, sollten sich die Kinder bereits mit 35 Jahren untersuchen lassen. Für Menschen ohne genetische Vorbelastung gilt derzeit nach den Vorgaben der medizinischen Fachgesellschaften folgende Regel: Alle Männer sollten mit 50 Jahren eine Darmspiegelung vornehmen lassen, alle Frauen ab 55.

Männer haben ein etwas höheres Risiko, laut der aktuellen Metaanalyse ist es 1,59-fach so hoch wie bei Frauen. Weitere Risikofaktoren neben der genetischen Komponente sind regelmäßiger Alkoholkonsum (71 Prozent erhöht), Fettstoffwechselstörungen (Hyperlipidämie; 62 Prozent) und Fettleibigkeit (54 Prozent). Die Darmkrebs-Gefahr durch Übergewicht steige sogar für ungeborene Kinder. Seidl: „Wenn eine Mutter in der Schwangerschaft sehr dick ist, steigt das Risiko für ihr Kind, später an Darmkrebs zu erkranken.“

Eine frühzeitige Darmspiegelung kann viele kolorektale Karzinome verhindern. „Oft werden bei der Untersuchung Vorstufen entdeckt und beseitigt, noch bevor sie zu Krebs entarten können. Das sind die sogenannten Polypen“, erklärt der Spezialist, der bereits mehr als 50 000 Spiegelungen durchgeführt hat. Das Komplikationsrisiko sei äußerst gering. Selbst wenn der Patient zum Zeitpunkt der Spiegelung bereits an Krebs erkrankt ist, gibt es in vielen Fällen Hoffnung. Denn die Medizin hat bei der Behandlung enorme Fortschritte gemacht. „Die Operationstechniken und die Chemotherapien werden immer besser. Dazu kommen die Möglichkeiten der modernen Diagnostik. Mithilfe der sogenannten Molekulardiagnostik können Spezialisten den jeweiligen Tumor genau analysieren und damit die Basis für eine gezielte, individualisierte Therapie schaffen“, berichtet Seidl.

Die schärferen Waffen schlagen sich auch in der Statistik nieder. Während 1971 die mittlere Überlebenszeit noch bei sieben Monaten lag, beträgt sie heute zehn Jahre. „Viele Patienten gewinnen sogar noch mehr Lebenszeit oder können sogar geheilt werden. Das zeigt, wie wertvoll die Vorsorge-Darmspiegelung ist“, betont der Gastroenterologe. Schmerzhaft ist das nicht. „Man erhält eine sanfte Dämmerschlafnarkose und ist nach einer halben Stunde wieder wach.“

Als Alternative steht ein Test auf verstecktes Blut im Stuhl zur Verfügung. Er erkennt bereits einen Blutverlust von weniger als einem Milliliter pro Tag. Ist der Test negativ, erhöht das zumindest die Wahrscheinlichkeit, gesund zu sein. „Eine Garantie liefert der Test allerdings nicht“, sagt Seidl. Vorbeugend empfiehlt der Mediziner eine gesunde Ernährung mit viel Gemüse, Obst und wenig rotem Fleisch. „Als Faustregel kann man sagen: Fertiggerichte meiden, stattdessen viel selbst kochen, möglichst mit frischen Zutaten aus der Region und ohne Konservierungsstoffe.“

Übrigens: Wer regelmäßig Äpfel isst, senkt einer anderen Metastudie zufolge sein Darmkrebs-Risiko um 25 Prozent. Noch besser wirken demnach Wassermelonen mit 26 Prozent, Kiwis senken die Darmkrebs-Gefahr um 13 Prozent. Die Wissenschaftler vermuten, dass bestimmte Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Nobiletin oder Naringenin eine schützende Wirkung entfalten. ANDREAS BEEZ

Bessere Therapien

erhöhen Chancen

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