So tricksen Wildtiere den Winter aus

von Redaktion

Die einen schlafen durch, andere lassen sich einfrieren. Der Überlebenskampf macht die Natur erfinderisch.

VON ANDREAS JÄGER

München – Die Tage werden kürzer, der Schnee ist da. Während wir Menschen es uns nun in der geheizten Wohnung gemütlich machen, müssen die Wildtiere in der Region den Winter im Freien verbringen. Doch die Natur überlässt nichts dem Zufall und hat alle Tiere mit besonderen Gaben ausgestattet – und sei es bloß ein Paar Flügel, um in den warmen Süden zu entfliehen. Egal, welche Strategie die Tiere wählen – das Ziel ist immer dasselbe: unbeschadet durch die kalte und nahrungsarme Zeit zu kommen.

Fledermäuse, Igel, Siebenschläfer, Feldhamster, Murmeltiere oder Haselmäuse gehören zu ihnen: den sogenannten Winterschläfern. Das heißt nicht, dass diese Tiere von Herbst bis Frühjahr durchschlafen – vielmehr verläuft der Winterschlaf in Abschnitten. In kurzen Phasen sind die Tiere wach, die meiste Zeit jedoch schlafen sie. Und dabei gehen in ihrem Körper interessante Dinge vor sich: Die Körpertemperatur sinkt, der Herzschlag wird von 100 bis 200 Schlägen die Minute auf zwei bis fünf Schläge die Minute reduziert. Die Atempausen werden länger – bei der Haselmaus zum Beispiel können bis zu elf Minuten zwischen zwei Atemzügen liegen. Im Prinzip sind die Tiere während des Winterschlafs dem Tod näher als dem Leben.

Nahrung wird in dieser Zeit nicht aufgenommen. „Die Tiere fressen sich im Herbst eine dicke Fettschicht an“, erklärt die Biologin Angelika Nelson, und davon zehren sie im Schlaf. Freilich will auch der Ort für das monatelange Nickerchen gut gewählt sein. Ideal seien frostgeschützte Verstecke, sagt Andreas Zahn vom Artenschutzreferat des Bund Naturschutz – zum Beispiel Felsspalten, hohle Bäume oder Erdhöhlen.

Doch woher weiß das Tier, dass es Zeit für den Winterschlaf ist? „Das ist hormonell gesteuert“, erklärt Angelika Nelson. Die Tiere reagieren auf Tageslänge und Temperatur. Und so wissen sie auch, wann es Zeit ist, wieder zu erwachen. Ist es im November oder Dezember noch außergewöhnlich mild, könne es durchaus sein, dass man noch Igel herumlaufen sehe, sagt die Biologin. Den längsten Winterschlaf halten übrigens Siebenschläfer: Sie machen ihrem Namen alle Ehre und schlummern sieben Monate durch.

Auch die Winterruhe dauert mehrere Monate. Während Winterschläfer jedoch die ganze Zeit über fasten, fressen Tiere, die Winterruhe halten, in Wachphasen. Diese Phasen sind kurz, beim Eichhörnchen sind es etwa zwei Stunden am Tag. „Dafür legen sie sich im Herbst einen Vorrat an“, erklärt Nelson. Das Eichhörnchen etwa beginnt bereits im September damit, sich mit Walnüssen, Haselnüssen oder Zapfen einzudecken. Auch Dachse, Waschbären oder Braunbären halten Winterruhe. Im Gegensatz zum Winterschlaf wird der Körper nicht komplett heruntergefahren. Die Körpertemperatur sinkt nur geringfügig oder gar nicht und auch Atmung sowie Herzschlag verlaufen weitestgehend normal. „Im Prinzip ist Winterruhe ähnlich wie unser Schlaf“, vergleicht es Biologin Angelika Nelson.

Ruhiger Körper, geöffnete Augen, keine Bewegung: Wie versteinert sehen die Tiere aus, die sich in eine Winter- oder Kältestarre begeben. Dazu gehören vor allem wechselwarme Tiere – also jene, die ihre Körpertemperatur der Umgebungstemperatur anpassen: Reptilien, Amphibien, Schnecken und Insekten. So verfallen Frösche und Schlangen, Eidechsen und Schildkröten in Winterstarre. Gut aufpassen müssen die Tiere, wo sie sich für ihre Winterstarre niederlassen. „Ihre Zellen bestehen aus Wasser und das darf nicht gefrieren, weil es sich dann ja ausdehnt“, erklärt Angelika Nelson. Das würde zur tödlichen Zerstörung der Zellen führen.

Einige Tiere sind vor dieser Gefahr geschützt, zum Beispiel Waldfrösche, Marienkäfer oder bestimmte Schmetterlingsarten. „Sie können im Körper ein Frostschutzmittel anreichern“, sagt Andreas Zahn vom Bund Naturschutz. Und das geht so: Bei Kälte produzieren die Tiere Glukose und speichern große Mengen davon. Durch den entstandenen Zucker werden die Zellen vor Schäden geschützt. Mit diesem cleveren Trick ist es den Tieren problemlos möglich, einzufrieren und später unbeschadet wieder aufzutauen.

Eine weitere Besonderheit ist beim Überwintern von Insekten zu beobachten: Diese können nämlich in unterschiedlichen Stadien durch die kalte Jahreszeit kommen – „als Ei, als Larve oder als erwachsenes Tier“, erläutert Angelika Nelson.

Ob ein Vogel sich in Richtung Süden aufmachen muss, hängt vor allem von einer Sache ab: ob er in der kalten Jahreszeit hier Nahrung findet. Standvögel, also jene, die im Winter in ihrer Heimat bleiben, ernähren sich vor allem von Nüssen, Kernen oder Beeren. Die sind zwar auch im Winter zu finden, aber schwieriger als im Rest des Jahres – weshalb viele Menschen die Vögel mit Futterstellen oder -häuschen unterstützen. In unserer Region gelten unter anderem Kohlmeisen, Rotkehlchen, Amseln oder Haussperlinge, landläufig Spatzen genannt, als Standvögel.

Zu den Standvögeln gesellen sich die Zugvögel, die dem strengen Winter in Nordeuropa entfliehen und mildere Gefilde aufsuchen. „Dazu zählen zum Beispiel der Bergfink oder der Erlenzeisig“, sagt Biologin Angelika Nelson. Zugvögel sind zumeist Insektenfresser. Da diese in den Wintermonaten in Nord- und Mitteleuropa rar sind, machen sich die Vögel auf den Weg in den Süden. Dabei fliegen die Arten unterschiedlich weit. Die sogenannten Kurzstreckenzieher wie Hausrotschwanz, Kranich und Zilpzalp steuern Ziele in Südeuropa beziehungsweise dem Mittelmeerraum an. Deutlich mehr Kilometer können die Langstreckenzieher wie Kuckuck oder die Nachtigall zurücklegen. Sie zieht es meist bis ins mittlere und südliche Afrika.

Zugvögel haben feste Flugzeiten, oft sogar auf den Tag genau. Die Langstreckler brechen schon im Spätsommer oder Frühherbst auf und kommen erst im späten Frühjahr zurück. So ist der Kuckuck rund acht Monate auf Reisen – von Mitte August bis Mitte April. Mit dem Klimawandel ändere sich aber auch das Zugverhalten der Vögel, sagt Andreas Zahn: „Manche Arten wie der Star oder die Mönchsgrasmücke können in milden Wintern mittlerweile hierbleiben.“ Auch bei den Störchen habe sich etwas verändert: Diese würden statt nach Afrika mittlerweile häufig nur noch bis nach Spanien fliegen, so der Experte.

Es gibt natürlich auch Tiere, die weder schlafen noch davonziehen, Rehe und Hirsche zum Beispiel. Ihnen wächst ein wärmendes Winterfell. Dabei ändert sich auch die Fellfarbe – von rotbraun zu graubraun. Doch die Kälte ist nicht das einzige Problem: Als Pflanzenfresser findet das Rehwild schwer Nahrung. Es muss also mit seinen Kräften haushalten und Energie sparen. Daher sollte man sich nicht wundern, wenn man beim winterlichen Waldspaziergang regungslos herumstehende Hirsche oder Rehe erblickt.

Glücklich können sich Füchse schätzen: Sie haben nicht nur ein Winterfell, sondern auch einen Wärmeaustausch-Mechanismus. Die Arterien in den Beinen liegen sehr nahe an den Venen, so dass das kalte Blut, das aus ihren Pfoten zurückfließt, erwärmt wird. So halten Füchse ihre Körpertemperatur konstant und haben auch im Winter Energie. Die können sie gut gebrauchen, denn von Dezember bis Februar ist Paarungszeit. Das ist auch der Grund, weshalb wir im Winter, vor allem nachts, häufig ihr Bellen, Kreischen oder Schreien vernehmen – so machen die Füchse potenzielle Partner auf sich aufmerksam.

Ein Winterfell bekommen auch einige Haustiere wie Hamster und Katzen. Dennoch bleiben die Stubentiger an kalten Tagen gerne im warmen Haus bei Herrchen. Empfindlich reagieren Katzen auf Zugluft –nd holen sich davon schnell einen Schnupfen.

Hunde bekommen zwar kein Winterfell, verfügen aber über einen ähnlichen Wärmeaustausch-Mechanismus wie Füchse. Allerdings haben sie ein anderes Problem: Streusalz. Das reizt die Pfoten, wodurch diese rissig werden, brennen und jucken. Sinnvoll ist es deshalb, Hunden nach dem Gassigehen die Pfoten gründlich unter fließendem Wasser abzuwaschen.

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