München – Wer am Samstag in München das Haus verließ, traf viele Gleichgesinnte. Alles schippte, mancher fand sein Auto nicht mehr – und wenn er es unter dem Schnee entdeckt hatte, wusste er schnell: Das dauert, bis es freigelegt ist. Einzusteigen war aber sowieso nicht ohne, denn der Winterdienst kam kaum hinterher, Autofahren wurde zum Abenteuer. Auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen war kaum möglich. Der Tramverkehr war eingestellt, die S-Bahn ging im Schnee unter, immerhin tat die U-Bahn noch einigermaßen ihren Dienst.
Die Landeshauptstadt, sie stand am Samstag in weiten Teilen still. Solche Schneemassen hatte sie auch lange nicht mehr gesehen. 46 Zentimeter Neuschnee (siehe Kasten) zwangen den Verkehr in die Knie. Die Münchner Verkehrsgesellschaft stellte den Bus- und Trambetrieb schon am späten Freitagabend komplett ein. Am Sonntag rollten die Busse wieder an, die Tram nur auf einzelnen Linien. Bäume auf der Strecke setzten die teils oberirdische fahrende U6 außer Gefecht. Der Abschnitt Alte Heide bis Garching-Forschungszentrum war gesperrt, ob er heute wieder frei ist, war unklar.
Auch der S-Bahn-Verkehr stand am Samstag still. Am Sonntagmorgen gab es auf der Stammstrecke zwischen Leuchtenbergring und Pasing immerhin einen Pendelverkehr im 20-Minuten-Takt. Der Außenbereich blieb am Sonntag eingestellt. Auch am Hauptbahnhof und am Flughafen gab es als Folge massive Beeinträchtigungen.
Heftige Kritik an dem Kollaps gab es vom Fahrgastverband Pro Bahn. Die faktische Betriebseinstellung sei „ambitionslos“, sagte Sprecher Andreas Barth am Sonntag. Zwar sei klar, dass bei so einem Schneefall kein Normalbetrieb zu erwarten sei, aber angesichts der Verkehrswende dürfe „das Geschehene nicht einfach nur passiv hingenommen werden“. Der öffentliche Nahverkehr sei Teil der Grundversorgung und damit kritische Infrastruktur. „Diese muss ertüchtigt werden und braucht verlässliche und umsetzbare Notfallpläne, die auch bei Schneefall wie in der Nacht von Freitag auf Samstag zumindest ein Kernnetz aufrechterhalten.“
Der Pro-Bahn-Sprecher fordert eine Reaktion der Politik. Der Nahverkehr dürfe „nicht nur ein Schönwetterbetrieb sein, sondern muss zuverlässig und immer zur Verfügung stehen“. Gerade die Tram sei in München wichtig. Ein kompletter Stillstand sei eine „Steilvorlage für die, die dem öffentlichen Nahverkehr feindselig gegenüberstehen“.
Freilich traf es nicht nur den Verkehr. Aus Sicherheitsgründen sagte der FC Bayern sein Heimspiel ab, Tollwood blieb am Samstag zu, ebenso die städtischen Friedhöfe und Wertstoffhöfe, der Tierpark und das Schloss Nymphenburg. Das Messegelände ließ ebenfalls Vorsicht walten und schloss die Heim+Handwerk samt Food & Life am Samstag. Die Polizei vermeldete bis Sonntagfrüh über 350 Einsätze und mehr als 300 Verkehrsunfälle, meist kleinere Kollisionen nach Rutschpartien. Die Münchner Feuerwehr hatte von Freitagabend bis Samstagmittag 420 Einsätze. Bürger hätten sich im Minutentakt gemeldet, sagte ein Sprecher, oft ging es um Bäume, die unter der Schneelast ächzten, oder um heruntergestürzte Äste.
Für den Englischen Garten gab die Schlösserverwaltung eine Warnung heraus. Dennoch zogen viele Münchner über die verschneiten Wiesen. Kinder bauten Schneemänner, Langläufer zogen durch den Park, obwohl noch gar keine Loipen gezogen sind. Am Christkindlmarkt am Chinesischen Turm wurde Glühwein getrunken und Eisstock geschossen.
Allerdings hat der Schnee auch dort Spuren hinterlassen. Abgebrochene Äste und niedergedrücktes Gebüsch überall. Am Kleinhesseloher See lagen mehrere große Trauerweiden mit der Krone voraus auf dem zufrierenden See. Die Schneelast war einfach zu groß für die Flachwurzler.