München – Wer gestern von Zürich nach Stuttgart fahren wollte, ist mit dem Zug problemlos nach Schaffhausen gekommen, eine schweizerische Stadt in der Nähe der deutschen Grenze. Erst auf deutschem Boden wurde es problematisch – die Strecke war gesperrt, weil ein umgestürzter Baum die Bahngleise blockiert hat. Bis ins deutsche Singen (Baden-Württemberg) fuhr nur Schienenersatzverkehr – wenn überhaupt. „Das ist der Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz“, sagt Andreas Frankenhauser von der Initiative „Pro Gäubahn“, die die Fahrgastinteressen auf der Strecke vertritt. „In unseren Nachbarländern werden Bahnstrecken gepflegt. Bäume werden so geschnitten, dass sie nicht auf die Gleise fallen können“, sagt Frankenhauser. „Die Deutsche Bahn hat dagegen seit Jahren nur gespart.“
In Süddeutschland liegt der Bahnverkehr gerade zu großen Teilen lahm. Der Hauptbahnhof München kann seit dem Wochenende wegen der Schneemassen kaum noch angefahren werden. Dagegen soll es in der Schweiz weitaus weniger Probleme geben, sagt Frankenhauser. Selbst zwischen der schweizerischen Gemeinde Thusis und dem Kurort St. Moritz soll die Bahn zuverlässig weiter fahren – trotz bis zu 1800 Höhenmetern und 60 Zentimetern Neuschnee.
Bewältigt die Schweizerische Bundesbahn (SBB) den Schnee tatsächlich besser als die Deutsche Bahn? Auf Anfrage unserer Zeitung sagt eine SBB-Sprecherin: Die Bahnnetze der beiden Länder lassen sich „nicht miteinander vergleichen“ – auch aus „finanziellen Gründen“, sprich: Unterhalt und Ausbau. Bei der SBB seien hunderte Mitarbeiter im Einsatz, die sich speziell um die Schneeräumungen von Signalen, Gleisen und Weichen kümmern. Die Vorbereitungen für den Winterdienst hätten bereits im Frühjahr begonnen.
Auch der Blick nach Österreich zeigt: Bei der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) läuft vieles reibungsloser als hierzulande. Zwar sorgte der Wintereinbruch auch in dem Nachbarland für chaotische Zustände, doch ausgerechnet im Deutschen Eck zwischen Salzburg und Kufstein waren gestern überhaupt keine Fahrten mehr möglich. Statt durch Rosenheim führte die Strecke über die österreichische Gemeinde Zell am See – mit Verspätungen von bis zu zwei Stunden. „Das ist nicht ideal, aber zumindest kommen die Fahrgäste irgendwie an ihrem Zielort an“, sagt Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn in München. Das sei an vielen Strecken in Deutschland nicht der Fall.
„Man hätte bereits am Samstag alle Gleise freiräumen müssen – als der Schnee noch nicht vereist war“, klagt Andreas Barth. „Das ist offenbar nicht passiert.“ Laut der ÖBB nutze man in Österreich modernste Techniken wie etwa Hochleistungsschneeschleudern und Schneepflüge, um die Bahnstrecken schnee- und eisfrei zu halten. „In Deutschland ist man nicht bereit, so viel Geld auszugeben“, sagt der Fahrgast-Vertreter.
KATHRIN BRAUN