München – Regt euch, Rüstungs-Riesen! Die großen bayerischen Rüstungsfirmen sollen sich stärker in die öffentliche Debatte um Sicherheit und Zeitenwende einbringen – das verlangt der Militärexperte Carlo Masala. Er macht zugleich der Politik in Bayern und im Bund Vorwürfe, das Thema zu vertrödeln.
Die Zeitenwende habe in Deutschland „nie Fahrt aufgenommen – oder wird gerade sogar rückabgewickelt“, sagte Masala bei einer Veranstaltung der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) in München. Mit „Taschenspielertricks“ rechne die Bundesregierung ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hoch, vielleicht werde dies mathematisch nächstes Jahr sogar gelingen, sagte der Professor für Internationale Politik an der Bundeswehr-Universität München. Die großen Probleme seien aber nicht angepackt – unter anderem fehle eine grundlegende Reform bei Schnelligkeit und Effizienz des Beschaffungswesens. Im Frieden sei es völlig egal gewesen, ob ein Panzer fünf Jahre später geliefert werde und das Doppelte koste. In Zeiten einer realen Bedrohung durch Russland hält Masala das für fatal.
Der Experte sieht die Truppe nicht gut gerüstet. Deutschland allein wäre „null vorbereitet“ auf einen Angriff von außen, „weder industriepolitisch noch konzeptionell“. Mit 180 000 Mann könne man eh „nur ausgewählte Regionen, nicht das gesamte Territorium“ verteidigen.
Masala fordert von der Industrie, gerade in Bayern, eine „größere öffentlichkeitswirksame Rolle“. Von der Staatsregierung verlangt er mehr Einsatz für die hiesige Branche. „Es würde der bayerischen Rüstungsindustrie extrem helfen, wenn der Ministerpräsident mal sein Interesse für Außen-, Sicherheits- und Rüstungspolitik entdecken würde.“ Markus Söder (CSU) interessiere sich „offenkundig für diesen Bereich nicht“. Parteivorsitzende wie Lars Klingbeil (SPD) oder Friedrich Merz (CDU) machten dies viel besser. Söder seinerseits kündigte indes gestern eine Reise nach Israel für nächste Woche an.
Es gehe um 45 000 Arbeitsplätze und vier Milliarden Euro Wertschöpfung in Bayern, sagte vbw-Chef Bertram Brossardt mit Blick auf die Rüstungsbranche – mit der er derzeit Gespräche intensiviert. Er kritisierte die Bundesregierung: Es gebe „Anzeichen, dass die Zeitenwende ins Stocken gerät“. Brossardt forderte, die Sondermittel für die Bundeswehr zu erhöhen, die an die Ukraine weitergegebene Ausrüstung sofort nachzukaufen und das Beschaffungswesen grundlegend zu reformieren.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER