München – Der Notgroschen, der Sparstrumpf, die Weisheit „nur Bares lacht“: Die Deutschen wollen nicht auf ihr Bargeld verzichten. Ähnlich ticken wohl nur noch Österreicher und Schweizer. In Schweden und Norwegen werden selbst Kleinstbeträge für Kaugummis oder einen Kaffee ganz selbstverständlich bargeldlos transferiert, der Klingelbeutel in der Kirche funktioniert mit Kartenleser und hat man sich Geld für ein Bier geliehen, wandern nicht Scheine und Münzen, sondern digitale Kronen zurück. Oft passiert das mit der Handy-App Swish, die von schwedischen Banken und der Nationalbank eingeführt wurde.
Auch wenn viele Geschäfte kein Bares mehr nehmen: Die Schweden scheinen damit glücklich. Und Bargeldlosigkeit hat auch Vorteile: In Schweden oder Norwegen gibt es zum Beispiel kaum Automatensprengungen, weil selbst manche Banken kein Bares mehr annehmen.
Forscher der Copenhagen Business School hatten vor 2018 berechnet, dass die Krone am 24. März 2023 verschwinden würde. Nicht aus Verbotsgründen, sondern einfach aus Irrelevanz. Heute, ein Dreivierteljahr nach dem errechneten Aus, sieht die Sache anders aus. Die Krone gibt es nach wie vor, ausgerechnet Schwedens Reichsbank hält an ihr fest. „Wir sind der Meinung, dass es immer möglich sein muss, zumindest die wichtigsten Waren und Dienstleistungen mit Bargeld zu kaufen“, sagte Reichsbankchef Erik Thedèen bei einer Anhörung im Parlament. Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine rief das schwedische Amt für Zivilschutz die Bürger auf, einen Notvorrat an Bargeld in passender Stückelung aufzubauen. Bares sei die einzige Bezahlmöglichkeit, wenn der Strom weg sei und man in Krise und Chaos versinke.
Krisen stärken Bargeld
Die Botschaft hat Eindruck hinterlassen. Während zwei Drittel der Schweden 2021 gar kein Bargeld mehr hatten, waren es im Krisenjahr 2022 laut einer Umfrage nur noch etwas mehr als die Hälfte. Dazu beigetragen haben wohl auch durch Hackerangriffe verursachte kurze Störungen bei der Swish-App.
„In Krisensituationen vertrauen Menschen reflexartig auf Bewährtes – deshalb bevorzugen sie auch haptisches Bezahlen gegenüber digitalen Zahlungsmitteln“, schreibt Wirtschaftspsychologin Julia Pitters. Geschrieben hat sie das eigentlich über die Deutschen, die „eher traditionell“ agieren und bei denen auch immer der Stolz auf ihre Wirtschaftswunder-Mark mitschwingt. Doch scheinbar gilt es auch für die fortschrittlichen Schweden, die 1661 in Stockholm übrigens das erste Papiergeld in Europa herausgegeben haben sollen. ANDREAS HÖSS