München – Die Adipositas-Therapie ist ein Schwerpunkt des Zentrums für Ernährungsmedizin und Prävention (ZEP) am Krankenhaus Barmherzige Brüder in München. Der Internist und ZEP-Leiter Dr. Gert Bischoff über die Chancen der Abnehmspritze Wegovy – und falsche Hoffnungen.
Herr Bischoff: Befremdet Sie der Hype um die Abnehmspritze Wegovy?
Ja – und zwar sehr, weil der Eindruck erweckt wird, dass allein durch die Spritze eine große Gewichtsabnahme erreicht werden kann. Und das ist schlichtweg falsch. Das Medikament muss eingebettet werden in eine multimodale Therapie, bestehend aus Ernährungsumstellung, Bewegung und Verhaltenstherapie. Nur in diesem Rahmen kann der Patient einen nachhaltigen Erfolg erzielen, sprich sein Gewicht auch nach dem Absetzen des Medikaments halten.
Es heißt, dass adipöse Patienten das Medikament ein Leben lang spritzen müssen, damit sie nicht wieder zunehmen.
Wenn keine Ernährungsumstellung erfolgt ist und der Patient sein Leben nicht anders gestaltet hat, dann ist das in jedem Fall so, ja. Dann nimmt er binnen kürzester Zeit das Gewicht, das er abgenommen hat, wieder zu. Wie die Situation wäre, würde der Patient Wegovy ein Leben lang nehmen, weiß man nicht. Es gibt noch keine Langzeitstudien zu dem Präparat. Was wir aber festgestellt haben, ist, dass nach etwa einem Jahr ein Gewöhnungseffekt eintritt und das Gewicht trotz wöchentlicher Spritze wieder leicht ansteigt. Dieser Effekt wurde auch schon in der Zulassungsstudie beschrieben.
Sie haben also doch Erfahrungen mit Wegovy?
Nein, aber wir haben Erfahrungen mit dem Wegovy-Wirkstoff Semaglutid. Diesen Wirkstoff gibt es ja in Form des Diabetes-Medikaments Ozempic schon etwas länger. Bei uns kam das Präparat im Rahmen der Therapie für Adipositas-Erkrankte mit Diabetes Typ 2 zum Einsatz.
Kamen die Patienten mit Ozempic gut zurecht?
Teils, teils. Ein Drittel hat das Medikament gut vertragen und auch abgenommen. Ein Drittel hat kein oder kaum Gewicht verloren. Und beim dritten Drittel waren die Nebenwirkungen so belastend, dass wir das Mittel absetzen mussten.
Was waren das für Nebenwirkungen?
In der Regel haben die Patienten über Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Kopfschmerzen geklagt. Wobei das bei diesem Medikament nicht ungewöhnlich ist. Die Mehrheit der Patienten spürt die eine oder andere Nebenwirkung.
Zurück zu Wegovy. Patienten müssen das Präparat selbst bezahlen. Sind Sie dafür, dass die Krankenkassen die Kosten übernehmen?
Wenn es nur um Wegovy geht, bin ich dagegen. Der Hintergrund ist, dass es für Adipositas-Therapien bisher kaum oder nur sehr schwer eine Kostenerstattung seitens der Krankenkassen gibt. Dass diese jetzt ein einzelnes Medikament bezahlen sollen, halte ich für falsch. Wichtig wäre hingegen, dass die Adipositas-Therapie in ihrer Gesamtheit von den Kassen übernommen wird und in diesem Zuge dann auch die für die Therapie wichtigen Medikamente.
Interview: Beatrice Oßberger