München – Wie viele Fälle von Missbrauch mit K.o.-Tropfen gab es heuer in München? Oder in den vergangenen fünf Jahren in Bayern? Fragen, auf die es keine Antwort gibt. Denn: Auch wenn die verabreichten Stoffe zu einem Rausch führen, ist ihre Einordnung schwierig. K.o.-Tropfen tauchen in keiner Drogen- oder Missbrauchsstatistik der Polizei auf, wie es aus dem Präsidium in München heißt.
Aus Sicht der Ermittler sind die Stoffe Tatmittel. „K.o.-Tropfen können Tatmittel bei verschiedensten Delikten sein“, sagt Polizeisprecher Michael Marienwald. Etwa bei Sexualdelikten, um das Opfer zu vergewaltigen, oder bei Raub- und Diebstahlsdelikten, um das Opfer wehrlos zu machen. Jemandem K.o.-Tropfen zu verabreichen, kann als Körperverletzung gewertet werden. Je nach Delikt ist ein anderes Kommissariat mit dem Fall betraut. Oftmals sind die Ermittlungsansätze schwierig, da die Opfer wenig zum Tatgeschehen angeben können. Wie viele Fälle es in München oder im Freistaat gab, lässt sich nur schwer sagen. „Die überwiegende Mehrheit der Taten sind Verdachtsfälle“, sagt Marienwald. Auch weil die Substanzen oft nicht mehr im Körper nachgewiesen werden können. Schon nach etwa sechs Stunden lösen sie sich auf.
Das Thema ist komplex: Es gibt nicht die K.o.-Tropfen an sich. Der Begriff umfasst über 200 Stoffe und synthetische Drogen, die von Kriminellen mit der Absicht verwendet werden können, das Opfer auszuknocken, also außer Gefecht zu setzen. „Die meisten Substanzen können, abhängig von der Dosierung, lebensgefährlich sein“, heißt es aus dem Bayerischen Landeskriminalamt (LKA). Die Liste der Stoffnamen erinnert an den Chemieunterricht. Als K.o.-Tropfen können Ketamine, Antihistaminika oder Temazepam verwendet werden.
„Das Phänomen gibt es schon seit Jahrzehnten, und es wird polizeilich immer mal wieder bekannt“, sagt Marienwald. Das heißt: Auch in diesem Bereich gibt es Stoffe, die gerade „in Mode“ sind. Aktuell ist das in Deutschland GHB, also Liquid Ecstasy. Angesichts so vieler Fragezeichen ist der Schutz vor Missbrauch umso wichtiger. Mittlerweile gibt es diverse Hilfsmittel, mit denen das Feiern sicherer werden soll. Zum Beispiel Teststreifen, die auf Substanzen im Getränk anschlagen. Oder eine Art Überzieher, den man über ein Glas stülpt. Er hat nur eine strohhalmgroße Öffnung und soll so verhindern, dass jemand etwas ins Glas schütten kann.
Das LKA gibt online Präventionstipps: „Vorsicht schützt vor K.o.-Tropfen“, lautet die Überschrift. Dazu gehört, Getränke immer selbst und direkt zu bestellen und entgegenzunehmen. „Nehmen Sie von Unbekannten keine offenen Getränke an“, heißt es. Auch beim Personal ist Vorsicht geboten. Getränke und Speisen sollten nie unbeaufsichtigt gelassen werden. Lieber kleinere Gläser bestellen, die sich schneller austrinken lassen. So kommt man nicht in die Versuchung, ein Glas beim Gang zur Tanzfläche oder Toilette irgendwo abstellen zu müssen.
Wenn doch etwas passiert ist: Wer sich seltsam fühlt, sollte sich sofort bei Freunden Hilfe holen. Das Ziel: an einen sicheren Ort gebracht zu werden. Wer Opfer einer Straftat geworden ist, sollte unbedingt zur Polizei gehen. NADJA HOFFMANN