Die Deutsche, die ganz Schweden verzauberte

von Redaktion

VON STEFFEN TRUMPF

Stockholm – Näher wird Deutschland einer Königin vermutlich niemals kommen. Die gebürtige Heidelbergerin Silvia von Schweden ist seit einem halben Jahrhundert nicht nur die Frau an der Seite des schwedischen Monarchen Carl XVI. Gustaf (77), sondern auch so etwas wie Deutschlands Aushängeschild in der royalen Welt. Voller Akribie und Disziplin hat die einstige Olympia-Hostess das Amt der Königin neu definiert und zu einem Vollzeit-Job gemacht, bei dem es um viel mehr geht, als bloß die lächelnde Frau an der Seite des Königs zu sein.

Ihr Alter sieht man Silvia nicht an. „Sie hat weiterhin ein phänomenales Gedächtnis“, sagt die Königshausexpertin Leontine Gräfin von Schmettow, die die Königin für die ARD-Dokumentation „Silvia – zur Königin geboren“ jüngst auf Schloss Drottningholm bei Stockholm interviewt hat. In ihren Kommentaren sei Silvia stets äußerst präzise, auch zwischen den Sprachen könne sie mühelos hin und her wechseln.

Lange Arbeitstage machten der Königin nichts aus, sagt von Schmettow. „Es ist wirklich unglaublich: Wenn wir nach einem langen Tag mit viel Programm und Terminen abends fix und alle sind, dann steht sie noch mit strahlendem Gesicht im Abendkleid bei einem Staatsbankett und geht aufmerksam auf die Menschen ein. Sie ist vielleicht vom lieben Gott mit besonders viel Energie beschenkt worden.“ Vielleicht ist es auch die Familie, die der dreifachen Mutter und achtfachen Oma als Kraftquelle dient. Gerade für Kronprinzessin Victoria habe Silvia eine „unglaublich wichtige Vorbildfunktion“, sagt von Schmettow.

Als Tochter des deutschen Geschäftsmanns Walter Sommerlath und dessen brasilianischer Frau Alice Soares de Toledo wuchs Silvia in São Paulo auf, ehe sie als Jugendliche mit ihrer Familie nach Deutschland zurückkehrte. Schon früh interessierte sie sich für Sprachen – dieses Talent ebnete ihr auch den Weg zum Job als Chef-Hostess bei den Olympischen Spielen in München 1972. Dort beobachtete sie ein prominenter Gast mit eigenwilligem Humor mit einem Fernglas: Schwedens heutiger König Carl XVI. Gustaf, damals noch Kronprinz. Die beiden gingen gemeinsam Essen und wurden ein Paar, das 1976 in Stockholm heiratete. In den Folgejahren kamen ihre Kinder Victoria (46), Prinz Carl Philip (44) und Prinzessin Madeleine (41) zur Welt.

Für den ungelenken Carl Gustaf war die elegante Silvia ein Glücksfall. Als er 1973 König wurde, befand sich die schwedische Monarchie in einer tiefen Krise. In der Politik wurde laut über einen Systemwechsel hin zur Republik nachgedacht. „Als der König Silvia heiratete, bezauberten die beiden das schwedische Volk und die Stimmung änderte sich“, sagt der frühere schwedische Außenminister Jan Eliasson in der ZDF-Dokumentation „Silvia. Schwedens deutsche Königin“, für die die Filmemacherin Julia Melchior ebenfalls mit Silvia und vielen ihrer Weggefährten sprach. Die Monarchie-Müdigkeit der Schweden, so wird in der Doku deutlich, wurde von der charismatischen Silvia innerhalb kurzer Zeit weggepustet. Die schwedische Bevölkerung habe sie mit viel Herzenswärme, Unterstützung und Akzeptanz aufgenommen, berichtet Silvia im Interview mit Melchior. Gerade mal ein knappes Vierteljahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg war das für eine Deutsche keine Selbstverständlichkeit.

Seitdem gilt Königin Silvia mit ihrer Disziplin, Bescheidenheit und Zielstrebigkeit für viele Schweden als Vorbild. Oft wird ihr nachgesagt, ein brasilianisches Herz mit einem deutschen Kopf und einer schwedischen Seele zu vereinen. Zugute kam ihr auch, dass es kein Regelwerk für das Königinnenamt gab. „Ich habe also die Freiheit gehabt, das zu tun, was ich für richtig halte und was auch mein Mann für richtig hielt“, sagt Silvia in der ZDF-Doku.

Doch nicht immer war Silvia nach Lachen zumute. 2010 kam es knüppeldick für sie. Zuerst wurden dem König in einem Buch Kontakte in die Unterwelt und Fremdgehen attestiert, dann entbrannte eine Diskussion um die Nazi-Vergangenheit ihres 1990 verstorbenen Vaters. Die erste Krise bewältigte die Königin nach außen souveräner als die zweite. Inzwischen ist es darum aber weitgehend ruhig geworden.

Silvia leistet viel Wohltätigkeitsarbeit, insbesondere für Demenzkranke und Kinder. Unter anderem gründete sie 1999 die World Childhood Foundation, die sich für Kinder in aller Welt einsetzt und in der ihre jüngste Tochter Madeleine ihre Stellvertreterin als Ehrenvorsitzende ist. Auch privat sind die Kinder das Größte für Silvia. „Mit einer wachsenden Schar an Enkelkindern ist das Zusammensein mit der Familie das, was die Königin am liebsten tut, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet“, schreibt das schwedische Königshaus.

Was Silvia tut, das tut sie mit vollem Einsatz. „Silvia lebt ihre Rolle. Sie hat dabei eine wirklich sehr königliche Ausstrahlung, eine majestätische Aura“, erzählt Melchior. „Sie kann auch sehr warm und sehr witzig sein – aber wenn du ihr gegenübersitzt, dann vergisst du nie, dass dort eine Königin sitzt.“

Ihrer Vorbildrolle bleibt Silvia auch zu ihrem 80. Geburtstag treu. Wer ihr ein Geschenk bereiten wolle, solle an Projekte für Kinder in der Ukraine denken, wünschte sich die Königin vorab und startete eine Spendenaktion, die noch bis Ende des Jahres läuft. Ihren Geburtstag selbst, so verlautet aus dem Königshaus, wird Silvia letztlich im Privaten feiern – natürlich mit ihrer Familie.

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