München – Nachdem Ende November mit der Signa Holding die Mutter des Benko-Imperiums in ein Insolvenzverfahren schlitterte, rissen die schlechten Nachrichten nicht ab. Nun trifft es mit Signa Prime und Signa Development die wichtigsten Immobilien-Töchter – mit noch unabsehbaren Folgen. Die verschachtelte Unternehmensstruktur mit hunderten Firmen und Beteiligungen macht es schwer, zu beurteilen, welche Schäden das Erdbeben im Reich des Österreichers hinterlassen wird. Spätestens seit gestern aber ist klar: Sie werden massiv sein. Die Frage, die bleibt: Was lässt sich noch reparieren?
Die Lage ist alarmierend, denn nun sind auch die Immobilien-Einheiten und damit die wichtigsten Teile der Holding zahlungsunfähig. Allein bei Signa Prime geht es um Vermögenswerte von 20,4 Milliarden Euro. Gestern beantragte die AG ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beim Handelsgericht Wien, wie das Unternehmen mitteilte. Diesem Schritt werde die Development Selection AG am heutigen Freitag folgen.
Signa Prime bündelt die Filet-Immobilien in Top-Lagen und gilt damit als Herzstück des Benko-Imperiums. Die Development AG investiert in Projekte abseits der Premium-Lagen wie zum Beispiel den Bürokomplex „Up“ in Berlin, hat aber auch eine imposante Häusersammlung.
„Trotz erheblicher Bemühungen in den vergangenen Wochen konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden“, heißt es in der Signa-Mitteilung. Es gelte, langfristige Lösungen zu finden, sagte Erhard Grossnigg, Vorstandssprecher der Signa-Töchter. Angesichts der Qualität der Immobilien zeigt man sich bei Signa aber optimistisch. Schließlich geht es mit dem KaDeWe in Berlin, dem Elbtower in Hamburg und dem Oberpollinger in München um Häuser in Top-Lagen.
Was das heißt, hat die Landeshauptstadt schmerzlich zu spüren bekommen: Leerstand, Stillstand und verwaiste Baustellen prägen das Stadtbild seit Monaten. Etwa am Hauptbahnhof, wo die Arbeiten im historischen Hertie-Kaufhaus eingestellt wurden. Beim verlassenen Karstadt-Betonklotz an der Schützenstraße oder dem traditionsreichen Kaut-Bullinger-Haus. Dort passiert, genau wie bei der Alten Akademie, gar nichts mehr. Bauruinen mitten in der Fußgängerzone!
„Äußerst bitter“ nannte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gestern die Insolvenznachricht. „Dass wir als Stadt mit der Alten Akademie ein Problem bekommen könnten, hätten wir uns niemals vorstellen können“, hatte er bereits vor Kurzem gesagt. „Eine Premium-Immobilie im Herzen unserer Stadt, der nun Leerstand droht, da blutet einem schon das Herz.“ Vor allem, da dem Rathaus die Hände gebunden sind: Die Immobilie war bis 2013 im Besitz des Freistaats – bis der damalige Finanzminister und heutige Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Akademie der Signa überlassen hat. Preis: 230 Millionen Euro.
Die Immobilie gehört zur jetzt insolventen Prime Selection, für die Abwicklung wurde die Alte Akademie Immobilien GmbH gegründet. Wie es mit der Top-Immobilie weitergehen soll, wird seit dem Baustopp Ende November in der ganzen Stadt diskutiert. Forderungen werden laut, dass der Freistaat ein vorzeitiges Ende des auf 65 Jahre laufenden Erbbauvertrags herbeiführen soll. Die ehemalige Stadtbaurätin Christian Thalgott schlug vor, dass finanzstarke Familien, etwa die Schörghubers oder die Inselkammers, das Vorzeige-Projekt übernehmen könnten. Gibt es vielleicht sogar schon Gespräche im Hintergrund? Dazu will sich der Freistaat auf Anfrage nicht äußern. Das Bauministerium stellt nur klar: „Das Insolvenzverfahren der Signa Prime Selection AG hat keine Auswirkungen auf den Erbbaurechtsvertrag der Alten Akademie, der mit einer Projektgesellschaft geschlossen ist.“ Diese sei nicht insolvent. Und: „Sollte die Vertragspartnerin des Freistaats Insolvenz anmelden, wird die Staatsregierung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes sämtliche ihr zustehenden entsprechenden Rechte des Freistaates wahren.“
Ein Schritt, der wohl nur noch eine Frage der Zeit ist. Denn: Mit weiteren Insolvenzen ist zu rechnen. Das erklärte der Verwalter der Signa Holding bereits vergangene Woche in Wien bei der Gläubigerversammlung: „Für den beschleunigten Verkauf von Beteiligungen und Vermögen wurde ein Verwertungsplan in Gang gesetzt.“ So soll die Holding ihre vielleicht prestigeträchtigste Beteiligung abgeben: die am Chrysler Building in New York.
Auf finanzstarke Geschäftspartner muss die Signa auch beim Münchner Luxus-Kaufhaus Oberpollinger setzen: Der Betrieb gehört zu 51 Prozent einem thailändischen Familienunternehmen, der Central Group des Milliardärs Tos Chirathivat. Branchenkenner gehen davon aus, dass er die Minderheitsbeteiligung der Signa übernimmt. Das wäre ein gutes Zeichen für die Zukunft des Hauses.
Düster sind hingegen die Prognosen für Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) mit seinen 92 Filialen. Zuständig ist die Signa Retail Selection AG mit Sitz in der Schweiz, die bereits Antrag auf Gläubigerschutz gestellt hat, um ihr Geschäft geordnet abzuwickeln, was einen Verkauf von GKK bedeutet. Bei der jetzt schon insolventen Prime geht es um Objekte im Wert von 20,4 Milliarden Euro. Laut dem Jahresbericht für 2022 hatte die Signa Prime Ende des Vorjahres Verbindlichkeiten von fast 10,8 Milliarden Euro. Der Verlust betrug eine Milliarde Euro.
Nach starkem Wachstum in der Niedrigzins-Phase kämpft das von Benko in 30 Jahren geschaffene Firmennetzwerk so wie die gesamte Immobilienbranche mit höheren Baukosten, Energiepreisen und Zinsen. Außerdem steht der stationäre Einzelhandel unter Druck. Die Lage bei Signa verschlechterte sich zuletzt rasant: Die roten Zahlen der Holding lagen Ende 2022 noch knapp unter zwei Milliarden Euro. Neun Monate später ist der Schuldenberg auf fünf Milliarden Euro angewachsen.
Die Folge: Nach und nach folgen immer mehr Töchter der Mutter in die Insolvenz. Die Erfolgsgeschichte Benkos begann 1995 in Innsbruck mit dem Luxus-Ausbau von Dachböden. der Zusammenbruch seines Imperiums trifft freilich mehr seine Partner als den 46-Jährigen selbst. 2019 tauchte sein Name erstmals auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt auf. Geschätztes Vermögen: 4,6 Milliarden Euro. Geld, das dank der „Familie Benko Privatstiftung“ gesichert sein dürfte. Während die 13 800 Galeria-Mitarbeiter um ihre Zukunft bangen und der Leerstand die Städte jeden Tag mehr verschandelt, scheint sich der Österreicher noch ganz wohl zu fühlen. Er war kurz vor Weihnachten zum Shoppen in Barcelona – per Privatjet, versteht sich.