Bauernpräsident Joachim Rukwied verteidigt die Bauernproteste damit, dass die Landwirte über viele Jahre hinweg Durststrecken beim Einkommen gehabt hätten. Der Präsident des Bauernverbands räumt aber ein, dass das vergangene Jahr für viele Betriebe eine Verschnaufpause gebracht habe. Tatsächlich verweisen Kritiker der Proteste auf Gewinne der letzten beiden Jahre: Laut dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) sind die durchschnittlichen Einkommen im Wirtschaftsjahr 2021/22 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 32 Prozent gestiegen. 2022/2023 gab es ein erneutes, sogar noch höheres Einkommens-Plus: Im Schnitt verdienten Haupterwerbsbetriebe noch einmal 45 Prozent mehr.
Je Haupterwerbsbetrieb wurde laut Deutschem Bauernverband ein Jahresergebnis von durchschnittlich 115 400 Euro erzielt. Doch der Durchschnitt sagt wenig über die Situation einzelner Betriebe aus – Weinbauern etwa mussten sogar Einkommensrückgänge von fast 18 Prozent hinnehmen und kamen auf weniger als 75 000 Euro. Schuld daran war laut Rukwied unter anderem der höhere Mindestlohn, der Erntehelfer teurer machte.
Groß ist auch die Einkommensdiskrepanz zwischen den Haupterwerbsbetrieben in Schleswig-Holstein und in Bayern und Baden-Württemberg. Die Bauern im Süden verdienen bis zu 100 000 Euro weniger, verdeutlicht Rukwied. Als Grund nennt er die schlechtere Getreideernte 2022 sowie die geringeren Betriebsgrößen in Süddeutschland.
Und es gibt starke Einkommensschwankungen – wetterbedingt, aber auch wegen des Preisdrucks des Einzelhandels. So gehörten Milchbauern zuletzt zwar zu den Top-Verdienern unter den Landwirten. Doch 2019/2020 zählte die Milcherzeugung noch zu den Betriebsformen mit den geringsten Einkommen.
Bei den Einkommen der einzelnen Bauern ist entscheidend, ob sie selbstständig oder angestellt sind. Denn Angestellte in der Landwirtschaft (62 Prozent der insgesamt 517 000 Erwerbstätigen) verdienten 2021 laut Statistischem Bundesamt im Schnitt nur 18 509 Euro im Jahr – weniger als halb so viel wie der Durchschnittslohn, der über alle Berufs- und Tarifgruppen bei 38 198 Euro lag. Selbstständige Bauern kamen demnach auf 37 702 Euro. Der Vergleich hinkt insofern, als viele Bauern Zusatz-Einnahmen durch Ferienwohnungen oder Photovoltaik- oder Biogas-Anlagen haben, die in diese Einkommensberechnung nicht einfließen.
Landwirte haben deutlich längere Arbeitszeiten als andere: Laut BZL lag die durchschnittliche Arbeitszeit bei Vollzeitarbeitskräften bei 46,7 Wochenstunden (gegenüber 40,4 Wochenstunden im Schnitt aller Berufsgruppen).
Fast die Hälfte der Agrar-Einkommen stammt aus Subventionen, sprich: vom Steuerzahler. 387 Milliarden Euro pumpte die EU 2021 bis 2027 in die Landwirtschaft. Davon profitieren vor allem Großbetriebe, weniger die Kleinbauern.
KLAUS RIMPEL