Der Kampf gegen die Kügelchen

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Weilheim – Iris Hundertmark ist gestern noch besser gelaunt als sonst in den Tag gestartet. Sie ist nicht nur Apothekerin, sondern auch leidenschaftliche Homöopathie-Gegnerin. Deshalb freute sie sich, als sie hörte, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Homöopathie als Kassenleistung streichen will. „Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden“, argumentiert der SPD-Politiker. Damit spricht er Iris Hundertmark direkt aus dem Herzen. Die 49-Jährige hatte sich bereits im August 2018 dazu entschieden, sämtliche Homöopathika aus dem Sortiment ihrer Apotheke in Weilheim zu nehmen. Mit ihrer Haltung bekam sie in den vergangenen Jahren bundesweit Aufmerksamkeit. Bereut hat sie die Entscheidung nie, betont sie. „Homöopathie hat den Arzneimittelstatus wegen fehlender evidenzbasierter Studien nicht verdient.“

Die meisten Kunden hätten positiv reagiert, erzählt sie. „Kritische Stimmen gab es auch deswegen, weil homöopathische Mittel häufig mit Arzneimitteln auf pflanzlicher Basis verwechselt werden“, sagt sie. Hundertmark hat viele pflanzliche Mittel in ihrem Sortiment. „Ich habe es mir seit damals zur Aufgabe gemacht, über jedes Medikament aufzuklären und ausführlich zu beraten.“

Sie findet es falsch, dass viele ihrer Kollegen nicht aufklären und die Kunden mit homöopathischen Mitteln nach Hause schicken. Einmal stand ein Mann mit völlig zugequollenen Augen vor ihr und bat sie um homöopathische Augentropfen. „In solchen Fällen ist es so wichtig zu beraten“, sagt sie. Den Mann mit einer Wasserlösung nach Hause zu schicken, wollte sie nicht verantworten. „90 Prozent meiner Kunden sind dankbar für die Aufklärung“, sagt Hundertmark. Deshalb habe ihre Entscheidung für sie auch keine finanziellen Einbußen bedeutet. „Ich schicke meine Kunden ja nicht ohne ein Präparat nach Hause. Aber ich möchte, dass sie etwas kaufen, was ihnen wirklich hilft.“

Und Karl Lauterbach möchte, dass die Krankenkassen homöopathische Behandlungen künftig nicht mehr bezahlen. Er kündigte gestern eine gesetzliche Regelung an, um Homöopathie aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) streichen zu lassen. Davon verspricht er sich Einsparungen von 20 bis 50 Millionen Euro. Um das Geld allein gehe es aber nicht, betont der Gesundheitsminister. „Die Krankenkassen sollten nicht Leistungen bezahlen, die medizinisch nichts bringen.“ Homöopathie habe nach wissenschaftlichem Sachstand keinen medizinischen Nutzen, betont Lauterbach. Auch den Klimawandel könne man „nicht mit Wünschelruten bekämpfen“. Ihm geht es auch ums Prinzip. Was vergütet werde, müsse der wissenschaftliche Sachstand sein.

So sehr sich Iris Hundertmark über die Entscheidung freut, so sehr ärgert sich Stefan Reis. Er ist Vorstand des Verbands klassischer Homöopathen in Deutschland. Er und seine Kollegen sind indirekt von Lauterbachs Plänen betroffen. „Homöopathen und Heilpraktiker rechnen nur über die privaten Krankenkassen ab.“ Auswirkungen habe die Streichung trotzdem. „Die Akzeptanz der Homöopathie wird darunter wohl leiden“, fürchtet er. Lauterbachs Argumentation kann Reis nicht nachvollziehen. Zum einen, weil es Studien gebe, die belegen, das auch homöopathische Mittel eine Wirkung hätten. „80 Prozent der Patienten sind sehr zufrieden mit der Behandlung und brauchen keine anderen Medikamente“, betont er. Außerdem zweifelt Reis daran, dass durch die Streichung wirklich Geld eingespart wird. „Wenn die Patienten ein anderes Mittel kaufen, um gesund zu werden, müssen die Kassen ja trotzdem zahlen.“ Lauterbachs Vorstoß bezeichnet er als reinen Populismus. Überrascht wurden er und seine Kollegen davon allerdings nicht, sagt er. „Dieser Plan war lange angekündigt, Lauterbachs Haltung zu Homöopathie ist bekannt. Aber eine persönliche Haltung sollte nicht zu weitreichenden politischen Entscheidungen führen.“

Der Bundesgesundheitsminister hatte bereits im Oktober 2022 erwägt, Homöopathie als Kassenleistung zu streichen. Sie sei zwar vom Ausgabenvolumen nicht bedeutsam, habe aber in einer wissenschaftlichen Gesundheitspolitik keinen Platz. Die Kassen entscheiden individuell, ob sie diese Leistung anbieten oder nicht. Tatsächlich haben sie bundesweit 2022 für homöopathische Arzneimittel nur 7,2 Millionen Euro ausgegeben, wie der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie berichtet. Für anthroposophische Arzneimittel, also komplementärmedizinische, kamen 2021 Kosten von knapp 15 Millionen Euro zusammen. „Es handelt sich also mehr um eine symbolische Geste als um eine Maßnahme mit einem tatsächlichen Effekt“, erklärt GKV-Sprecher Florian Lanz.

Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, betont, es spiele keine Rolle, ob es sich um kleine oder große Summen handelt. „Jede neue Leistung, die aufgenommen wird, muss zu Recht einen umfangreichen Nutzungsnachweis durchlaufen“, betont er. Für homöopathische Mittel gebe es keine ausreichenden Studienlagen. Es stehe jedem frei, sich weiterhin mit homöopathischen Mitteln oder Verfahren behandeln zu lassen, betont Gassen. „Aber dann bitte auf eigene Kosten und nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft.“

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