München – Unbedingt. Franz Xaver Bogner nimmt das Wort gern in den Mund, und es steht für viel. Für die Anarchie, die der Kult-Regisseur und Drehbuchautor den Figuren seiner TV-Serien und Filme gibt; für das todsichere und lustvolle Scheitern im Alltäglichen, den liebevollen Blick auf die Provinz, aber auch für den unbändigen Willen, der die Charaktere auszeichnet.
Unbedingt sind es bei Bogner die Frauen, die den Ton angeben und selbst im Kontrollverlust den Mann noch sicher navigieren. Ob es die Christl (Olivia Pascal) in „Irgendwie und Sowieso“ ist, die Weißwurst-Paula (Ruth Drexel) in „Zur Freiheit“, die Pächterin (Kathi Leitner) im „Café Meineid“, die Revierleiterin (Luise Kinseher) in „München 7“, die Gemeinde-Leiterin (Dorothee Hartinger) in „Der Kaiser von Schexing“ oder die Damen von „Moni’s Grill“ beziehungsweise dem „München Grill“. Und in der neuen Serie „Himmel, Herrgott, Sakrament“ sagt die Lisa (Anne Schäfer) dem Pfarrer Hans Reiser (Stephan Zinner – nach der Vorlage von Pfarrer Rainer Maria Schießler), wo es in der Liebe langgeht.
Bogner feiert in seinen Serien und Filmen einen unbedingten, unverbogenen Feminismus – neben dem Bairischen, das so viel mehr auszudrücken vermag als das Hochdeutsche, besonders dann, wenn gerade nicht gesprochen wird. Seine Frauenfiguren wissen die Kunstpausen klug zu nutzen, wenn es darum geht, Konflikte kreativ zu lösen. Genau das hat Bogner bei den Frauen seines Lebens studiert – von klein an.
Geboren in einem Bauernhaus in Pliening im Landkreis Ebersberg zeichneten neben seiner Mutter die Oma und sechs Tanten Franz’ Weltbild. Materiell gesehen waren es eher arme Verhältnisse, doch das Knappe wurde mit besonders viel Fantasie ersetzt und so ein echter Mangel nie fühlbar. „Ich bin praktisch als Einzelkind in einer Großfamilie aufgewachsen“, beschreibt Bogner seine Kindheit, wo der unbedingte Wille der Frauen regierte. „Von meinen Tanten, der Oma und meiner Mutter habe ich alles übers Leben erfahren und gelernt.“
Vater Ludwig (†42) war Eisenbahner, deshalb lebten die Bogners später im Bahnwärterhäuschen in Markt Schwaben – drei Meter fünfzig von den Gleisen entfernt, wo alle halbe Stunde der Zug München–Erding quietschte und durchpolterte. So gab es immer Bewegung im Leben des kleinen Franz, bei dem später der Film den ratternden Zug ersetzen sollte. Vielfach preisgekrönt sind Bogners Stoffe, gelebte Geschichten, genauso wie die Dialoge und Sätze – von der Familie, der Kirche, den Bauern und Handwerkern.
Den Sinn für Dramaturgie impfte ihm der Pfarrer ein, als Bogner Ministrant war und im Silvester-Gottesdienst zum allerfalschesten Zeitpunkt bei der Wandlung die Glocken läutete. Schallendes Gelächter! Franz’ erster Applaus! Und schließlich der unbedingte Wille, Filme machen zu wollen. Dann Abitur, Lehre im Kopierwerk, Hochschule für Fernsehen und Film, Amerikanistik, Dokumentarfilm beim BR und schließlich die bayerische Serie, für die er bald berühmt werden sollte – vor allem mit „Irgendwie und Sowieso“ im Sound der 68er.
Nach einer ersten kurzen Ehe, der Sohn Alexander (48) entstammt, und einigen wilden Runden hat sich Bogner schließlich wieder auf das besonnen, was für ihn immer die wichtigste Inspiration war: die Familie. „Mit meiner Frau Sonja und unseren drei Kindern habe ich letztendlich dasselbe Familiengefühl gefunden wie damals in meiner Kindheit.“ Jetzt sind es aber nur drei Frauen, die sagen, wo es langgeht: Ehefrau Sonja (68), seine älteste Tochter, die Unfallchirurgin und Chefärztin Prof. Dr. Viktoria Bogner-Flatz (42), sowie die Journalistin Felicitas Bogner (30). Sohn Leon (33), Anwalt, Unternehmer, Notfallsanitäter und stellvertretender Feuerwehrkommandant, bildet mit dem Vater den Gegenpol in Sachen emotionaler Beurteilung der Dinge des Lebens.
Was F.X. Bogner von den Frauen seines Daseins gelernt hat? „Dass man mehrere Dinge gleichzeitig tun kann und nicht stur männlich ein Ziel verfolgen muss.“ Bogner selbst ist ein Mann des Faktischen; er „gönnt“ sich Emotionalität nur dann, wenn er allein ist; wenn er schreibt und seine Figuren entwickelt. „Aber wenn ich ein Projekt starte, fange ich erst einmal so nüchtern wie möglich an“, beschreibt er seine Arbeit. „Enden tut das aber immer als Liebesgeschichte.“ Unbedingt.
Denn die Liebe seiner Frau Sonja begleitet ihn seit 46 Jahren; seit sich die damalige SZ-Journalistin und der Filmer bei einer Recherche zu einer Dachauer Wahrsagerin begegnet sind. Diese Elisabeth Schreiner wusste übrigens sofort, dass es zwischen Sonja und Franz eine Partie für immer sein würde, eine, die Bogners Arbeit kontinuierlich befeuert. „In meiner Familie lerne ich nie aus“, konstatiert der Filmemacher. Zum Beispiel, weil es bei den Frauen nie nur eine Lösung gibt, sondern mehrere, „sie sind einfach beweglicher“. Diese Quelle der Inspiration versiegt auch nie. „Deshalb bin ich ja auch so froh, dass ich immer weiterarbeite, weil ich weiterlerne – dieses Kompliment muss ich meiner Familie machen.“
Die Kraft der Frauen, ihre mentale Stärke – das alles verehrt Bogner. „Das beginnt bei meiner Oma, die allein acht Kinder großgezogen hat, alle haben einen Beruf erlernt; über meine Mutter – mein Vater starb mit 42 Jahren – und jetzt in meiner Familie, wo es ununterbrochen diese vitale Ebene gibt.“ Freilich, dieses Diktat bedeutet auch, der Mann muss sich unbedingt fügen. Darin liegt der Witz. „Nur wenn man irgendwas durchblickt und verstanden hat, kann man lachen. Das macht eine gute Komödie aus.“
Seit über 40 Jahren steht Bogner für die bayerische Fernsehserie. Die Frauenfiguren darin sind mit den Jahren immer noch selbstbewusster geworden. Sein neuester TV-Hit „Himmel, Herrgott, Sakrament“ hat mit der Erstausstrahlung im Herbst im BR alle Zuschauerrekorde gebrochen. Und obwohl noch nichts beschlossene Sache ist, die Chancen für eine Fortsetzung stehen gut. „Ich denke als Autor und Regisseur über neue Folgen nach“, sagt Bogner, bei denen die alleinerziehende Mutter Lisa Kirchberger (Anne Schäfer) im Umgang mit dem Mann, sprich dem Pfarrer, den Dreh raus hat: „Sie bringt ihn letzten Endes dazu, dass er sich so verhält, wie sie es will und er denkt, dass es von ihm ausgeht.“ Ganz wie im wahren Leben. Unbedingt!