München – Georg Graf Waldersee ist Vorstandsvorsitzender von Unicef Deutschland. Ein Gespräch über die Zusammenarbeit mit Unternehmen bei der Bildung junger Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Wie kommt es zu Kooperationen zwischen Unicef und Konzernen wie BMW?
Die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus dem privaten Sektor spielt für uns eine große Rolle. Bei BMW kamen wir ins Gespräch mit Blick auf eine globale Partnerschaft. Wir haben schnell gemerkt, dass es im Bereich Bildung für junge Menschen eine zielführende gemeinsame Basis gibt: Jugendlichen vor Ort eine Perspektive zu geben angesichts des technologischen Wandels und der Digitalisierung in der Berufswelt nicht abgehängt zu werden – sondern im Gegenteil einen wichtigen Beitrag in ihren Ländern leisten zu können.
Was steht beim Projekt in Südafrika im Mittelpunkt?
Konkret die Bildung in den sogenannten MINT-Fächern – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik. MINT-bezogene Berufe sind der wesentliche Motor für Wirtschaftswachstum und gesellschaftspolitische Entwicklung. Das gilt überall. In vielen Ländern sehen wir einen großen Bedarf.
Wie sieht denn die Zusammenarbeit praktisch aus?
Die Partnerschaft mit BMW ist weitgehend. Sie beginnt in Südafrika und soll sich ausdehnen auf Mexiko, Brasilien, Indien Thailand und dann China. BMW hat regelmäßige finanzielle Unterstützung zugesagt. Das gibt Unicef die Möglichkeit, vor Ort in den Schulen konkret zu arbeiten. Unsere Teams statten zum Beispiel Labors aus, was den Einsatz von Technologien in den Klassenzimmern ermöglicht, um die Kinder auf digital geprägte Berufe vorzubereiten – gerade auch Mädchen, was besonders wichtig ist. Wir entwickeln Lehrpläne, bilden Lehrer aus. Es geht auch um den Übergang von der Schule ins Berufsleben. Hier leistet Unicef Arbeit in der Berufsberatung und im Mentoring. Innovative Firmen wie BMW sind dafür ein idealer Partner.
Und BMW gewinnt so Fachkräfte für sein Werk Rosslyn bei Pretoria …
Die Zusammenarbeit erstreckt sich auf Länder, wo BMW tätig ist. Weil dort auch die Möglichkeiten gegeben sind, die Zusammenarbeit effektiv zu gestalten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Bei meinem Besuch in Südafrika habe ich erlebt, dass sich die Mitarbeitenden beider Seiten für die Zusammenarbeit begeistern. Das ist wichtig.
Mal weg von BMW. Es gibt auch Firmen, die haben nur ein Ziel: möglichst kostengünstig zu produzieren. Daran kann Unicef nicht interessiert sein …
Die Vorbereitung einer solchen Partnerschaft bedarf großer Sorgfalt und vieler Gespräche – in denen man von beiden Seiten erkennt, ob ein ernsthaftes Interesse der Zusammenarbeit besteht, das darauf gerichtet ist, unterprivilegierten Jugendlichen eine Zukunft zu geben. Das ist unser primäres Interesse, und das stellt sicher, dass die Hilfe auch ankommt. Damit leisten wir auch einen wesentlichen Beitrag für die gesellschaftspolitische Entwicklung in den Ländern.
Gibt es auch andere deutsche Konzerne, die sich vergleichbar engagieren?
Die Wirtschaft unterstützt Unicef seit vielen Jahren mit langfristigen Kooperationen. Zum Beispiel SAP – wobei jede Zusammenarbeit maßgeschneidert ist. Bei BMW sind es die MINT-Fächer, bei SAP geht es um digitale Bildung. Ein weiterer großer Partner ist Siemens Healthineers.
Müssten große Konzerne da noch mehr Verantwortung übernehmen?
Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie in den Ländern, in denen sie tätig sind, über ihr Kerngeschäft hinaus gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müssen. Der rein finanzielle Ansatz wandelt sich in einen ganzheitlichen.
In Europa ist Migration gerade ein großes Thema. Können Projekte wie in Südafrika verhindern, dass Menschen aus wirtschaftlicher Not ihr Land verlassen?
Das ist eine sehr weitreichende Frage. Ich persönlich verbinde damit schon die Erwartung, dass wir einen Beitrag leisten, dass junge Menschen in ihren Ländern Perspektiven haben, die ihnen eine gute Zukunft ermöglichen. Und dadurch kann Migration verringert werden. Sind wir bei der Förderung von Kindern erfolgreich, schaffen wir eine Grundlage, Armut und Ungleichheit abzubauen.
Interview: Wolfgang Hauskrecht