Pretoria – Die zierliche Frau hat eine kräftige Stimme: „Good morning“ ruft Mmaphefa Malope ihren Besuchern entgegen. Stille. Auch Mmaphefa Malope schweigt – und den Gästen, die Malopes Schule heute besuchen, dämmert es langsam. Ein leises „Good morning“ entweicht der Gruppe. Wieder Stille. Dann lauter und im Chor: „Good morning!“
Die resolute Pädagogin weiß, was sie will. Sie tut das nicht für sich. „Failure is not an option“, gibt sie auch ihren Schützlingen in den roten Schuluniformen mit. Die Kinder stimmen ein: „Failure is not an option“ – Scheitern kommt nicht infrage. In einem Land, in dem mehr als die Hälfte der 60 Millionen Einwohner unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben und die Arbeitslosigkeit konstant über 30 Prozent liegt, ist das keine leere Parole.
1400 Schüler gibt es an der Lethabong Secondary School in Soshanguve, einer Township nahe der Hauptstadt Pretoria. Malope leitet die Schule. Bereits 100 ihrer Schüler haben anschließend studiert und ihren Bachelor in der Tasche. Das Ticket für sozialen Aufstieg. Das ist außergewöhnlich. Denn die Schulen in den Townships sind sehr schlicht gebaut und bescheiden ausgestattet. Dächer aus Blech, kleine Klassenräume einfache Stühle und Tische.
Südafrika ist ein junges Land mit vielen Kindern, entsprechend viel Aufwand ist nötig. Dabei bleibt die Qualität leicht auf der Strecke. Das Umfeld der Lethabong Secondary School ist kein klassisches Elendsviertel. Es gehört zu den Siedlungen, die unter dem südafrikanischen Apartheidsregime im Umfeld der großen Städte als Unterkünfte für die Schwarzen hochgezogen wurden. Für Menschen, die man dort als Arbeiter und Dienstboten brauchte. Slums, in denen heute die Arbeitslosigkeit grassiert. Es gibt schlimmere Bereiche in dieser Township, wo geschätzt rund eine Million Menschen leben. Verschläge aus Blech und Plastikplanen sieht man in den Straßen um die Schule selten und wenn, nicht in der ersten Reihe. Die meisten Häuser sind schlicht, aber aus Stein. Einige sind bereits modernen und geräumigen Bungalows gewichen.
Das hat einen Grund. Nur etwa acht Kilometer Luftlinie entfernt gibt es seit 50 Jahren das BMW-Werk Rosslyn. Das Werk hat in Soshanguve für bescheidenen Wohlstand gesorgt. Nicht nur für die rund 2500 im Werk Beschäftigten, auch für 14 500 Südafrikaner bei Zulieferbetrieben in nächster Nähe. Und jeder hier verdiente Rand, so heißt die Währung in Südafrika, schafft weitere Kaufkraft.
Zurück in die Lethabong Secondary School: Nicht staatliche Mittel nähren die Ambitionen der Schulleiterin. BMW engagiert sich mit großen Summen für die Schule im Einzugsbereich des Werks. Mit an Bord: Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Rund um das Schulgelände liegt Baumaterial für Erweiterungen. Eine neue Küche, Sportstätten und eine Bücherei. Pläne an den Wänden zeigen einen in Zukunft deutlich aufgewerteten Komplex. Noch wichtiger ist die Unterstützung im Unterricht: IT und Robotik spielen eine Rolle. Schüler lernen spielerisch, am Laptop Roboter zu steuern und sie zu programmieren. Selbst in Europa bieten nur wenige Schulen so viel technische Praxisnähe. In der Lethabong Secondary School werden Fertigkeiten trainiert, die im Arbeitsleben immer wichtiger werden. Zwei Gruppen von Schülern, Buben und Mädchen, geben gerade per Laptop Befehle für einen Roboter ein. Er bewegt sich, hält an, macht vor einem Hindernis kehrt. Nicht immer klappt das reibungslos. So lernen die Kinder aus Fehlern und Rückschlägen. Eine Schule zur Rekrutierung von künftigen BMW-Mitarbeitern? Ja, aber nicht nur.
Ilka Horstmeier, im BMW-Vorstand für Personal- und Sozialfragen zuständig, zieht den Rahmen weiter. „Unternehmen werden heute nicht mehr nur daran gemessen, wie sie Profit maximieren, sondern welchen zusätzlichen Wert sie für die Gesellschaft beisteuern.“ Die Kinder bräuchten ein „Grundvertrauen in die Gesellschaft“. Und das Gefühl: „Ich habe eine echte Chance im Leben.“
„Wir haben uns mit BMW zusammengetan, um zu versuchen, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen“, sagt Georg Graf Waldersee, Vorsitzender von Unicef Deutschland (siehe Interview). „From Learning to Earning“, dem Übergang vom Lernen zum Verdienen, spricht er. Bildung für die Basis sei entscheidend. Ob daraus wachsender Wohlstand werden kann, lässt sich nicht so leicht voraussagen. Das BMW-Werk und sein industrielles Umfeld haben aber vielen Angehörigen ärmerer Schichten sozialen Aufstieg gebracht – auch wenn von einem Lohn meist viele Verwandte versorgt werden.
Eine vielleicht noch erstaunlichere Wachstumsgeschichte spielt sich in einem Bürogebäude in Pretoria ab. Im IT-Hub von BMW-Südafrika. Er wurde 2014 als Initiative der südafrikanischen Konzerntochter gegründet und ist derzeit der weltweit am schnellsten wachsende Geschäftsbereich im gesamten Konzern. Das englische Wort Hub bedeutet Knotenpunkt. Von Pretoria aus werden IT-Prozesse von BMW in der ganzen Welt betreut. Prozesse in den Werken, in der Logistik und im Vertrieb und damit dem Händlernetz. Es gibt Schreibtische, an denen mit dem anderen Ende der Leitung auf Deutsch kommuniziert wird, an anderen ist es Englisch oder Spanisch. Ein Produkt aus dem IT-Hub ist der digitale Zwilling. Ein virtuelles Abbild der Hardware und Software jedes einzelnen Autos. Es wird über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs aktuell gehalten. Das macht es leichter, die Wartung zu planen.
Der IT-Hub arbeitet mit vielen Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis zur Universität zusammen – darunter die Lethabong Secondary School. Die Zahl der dort arbeitenden „Hubster“, wie sie genannt werden, stieg allein seit 2022 von 1888 auf über 2300. Ein Ende der steilen Kurve ist nicht in Sicht.
Südafrika ist reich an Naturschätzen – aber auch an Problemen: Kriminalität, eine gewaltige Kluft zwischen Arm und Reich, Arbeitslosigkeit vor allem unter Schwarzen, eine kaum kontrollierbare Zuwanderung aus noch ärmeren Ländern des Kontinents, eine heruntergekommene Infrastruktur. Südafrika ist ein Land, wo soziale Verantwortung anders definiert werden muss als in Europa. Aber keineswegs das einzige. Horstmeier kann sich weitere Partnerschaften mit Schulen vorstellen. Etwa in Thailand, Brasilien oder Mexiko, wo BMW Werke betreibt. Dazu braucht es engagierte Helfer vor Ort, Menschen wie Mmaphefa Malope. Selbst wo Regierungen heillos überfordert sind, gibt es so die Chance, die Verhältnisse langsam, aber stetig zum Besseren zu verändern.