„Unsere Arbeitswelt steuert auf ein hybrides Modell zu“

von Redaktion

INTERVIEW Arbeitsmarktforscher Philipp Grunau darüber, ob man im Büro unbedingt präsent sein muss

München – Eine Zeit lang schien es so, als wäre das Homeoffice das Modell der Zukunft – nun rudern immer mehr Konzerne zurück. Philipp Grunau ist Experte beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Im Interview erklärt er, welche Lösung sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeiter am besten wäre.

Herr Grunau, kann ein Homeoffice-Gesetz unser Fachkräfte-Problem lösen?

Was ein rechtlicher Anspruch auf Homeoffice bewirken könnte, kann man jetzt noch gar nicht beantworten. Allerdings wissen wir, dass ein Homeoffice-Angebot für zufriedene Mitarbeiter sorgen kann, die sich ihrem Arbeitgeber verbundener fühlen – und das könnte wiederum auch den Fachkräftemangel entschärfen. Davon profitieren dann auch die Betriebe selbst.

Für manche Berufe eignet sich das Homeoffice weniger als für andere.

Genau – wie sinnvoll das Arbeiten im Homeoffice ist, hängt immer davon ab, was man tut und wie man arbeitet. Gerade in kreativen Berufen funktioniert es zum Beispiel gut, sich zufällig auf dem Gang zu treffen und spontan auszutauschen – so werden viele Ideen geboren. In anderen Berufen ist es besser, allein für sich arbeiten zu können, ohne sich von Kollegen gestört zu fühlen. Und manche Berufe sind natürlich gar nicht fürs Homeoffice geeignet – etwa in der Pflege. Unternehmen tun gut darin, eigene Lösungen zu finden: Dann kann es zum Beispiel extra Team-Tage für den Austausch mit Kollegen geben, und an anderen Tagen arbeitet man daheim.

Besteht für Arbeitnehmer die Gefahr, in Vergessenheit zu geraten, wenn sie immer zu daheim sind?

Die Sichtbarkeit ist tatsächlich ein wichtiger Aspekt beim Thema Homeoffice – vor der Pandemie haben Studien gezeigt, dass es sich durchaus negativ auf die Karriere auswirken kann, wenn man bei der Arbeit nicht präsent ist. Allerdings hat sich das mittlerweile deutlich geändert, weil die generelle Akzeptanz fürs Homeoffice gestiegen ist.

Warum wollen ausgerechnet moderne Konzerne wie Meta und Google ihre Mitarbeiter zurück ins Büro holen?

Gerade das waren Firmen, die während der Pandemie sehr schnell aufs Homeoffice umgestellt haben – da ist bei einigen Mitarbeitern eine Anspruchshaltung entstanden, 80 Prozent oder mehr von daheim arbeiten zu dürfen. Da bleibt das Kennenlernen von neuen Mitarbeitern, der kreative Austausch und das Teambuilding auf der Strecke.

Diese Firmen geben aber in der modernen Arbeitswelt den Ton an. Könnte das Homeoffice aussterben?

Ich denke, das ist überhaupt nicht möglich – die Zeit lässt sicht nicht mehr zurückdrehen. Aber es kann auch nicht so bleiben, wie es während der Pandemie gelaufen ist – als viele Menschen Vollzeit von zu Hause gearbeitet haben und ihre Kollegen zum Teil gar nicht mehr zu Gesicht bekommen haben. Wir erleben gerade, dass unsere Arbeitswelt auf ein hybrides Modell zusteuert. Das ist sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber oft die beste Lösung. Interview: Kathrin Braun

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