Welche Schlüsse die Politik aus den Demos zieht

von Redaktion

SPD fordert Verbotsverfahren

Berlin – In ganz Deutschland demonstrieren Hunderttausende gegen die AfD. Und einer sagt: Achtung, die meinen schon auch uns links der Mitte. Cem Özdemir, der grüne Bundesminister aus Baden-Württemberg, hat in einem ungewöhnlichen Interview die eigene Ampel-Koalition zum Umdenken aufgefordert. Er fordert mindestens einen neuen Stil.

Aus der Mitte der Gesellschaft sagten die Leute: „Jetzt reicht’s“, sagte der Grünen-Politiker im „Interview der Woche“ des Deutschlandfunks. Die Demonstrationen habe er auch so verstanden, dass sie sich an die Ampel-Koalition richteten, sagte der Bundeslandwirtschaftsminister. „Wir müssen unser Geschäft tun. Es geht nicht nur darum, dass die demokratische Mitte mobilisiert, sondern es geht auch darum, dass die Ampel aufhört – auch die demokratische Opposition von CDU/CSU – dass wir uns wie Kesselflicker streiten und damit Leute in die Arme der AfD treiben.“

Der Streit in der Ampel und das Beschäftigen mit sich selbst untergrüben das Vertrauen darin, dass die Regierung Probleme löse. „Wir sind erwachsene Menschen. Es gibt einfach keine Entschuldigung. Wir können das besser machen. Wir müssen es jetzt auch besser machen.“

Özdemirs Parteifreunde äußerten sich eher banal. „Demokratie lebt von den Menschen, die dafür aufstehen“, befand Klimaminister Robert Habeck. Außenministerin Annalena Baerbock fordert einen härteren Kurs gegenüber der AfD: „Wir müssen das klar benennen und nicht mehr von Wutbürgern, von Besorgten, von Rechtspopulisten sprechen, sondern von denen, die unsere Verfassung angreifen.“

Teile der SPD sehen in den Demos ein Signal, ein Verbot der AfD voranzutreiben. Der bayerische Landesvorstand sprach sich geschlossen dafür aus, das Bundesverfassungsgericht solle prüfen, ob die AfD verfassungskonform agiert. Ob das zielführend ist, ist in der Politik umstritten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) äußert sich sehr skeptisch. Auch die Union warnt davor: dauert zu lange, würde den Opfer-Mythos der AfD stärken. CSU-Chef Markus Söder bekräftigte am Wochenende sein Nein zu Verbotsplänen, aber auch seine Forderung, „die Unvereinbarkeit mit dem öffentlichen Dienst oder Beschränkungen bei der Parteienfinanzierung“ festzulegen.

In mehreren Bundesländern nahmen die Regierungschefs selbst an den Demos teil. „Das ist gelebter Verfassungsschutz“, sagte etwa Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in Hannover. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte in Cottbus: „Ich stehe hier oben und habe Tränen in den Augen. Die Lausitz steht auf für Demokratie, gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verbreitete eine Videobotschaft: „Ich sage es in aller Deutlichkeit und Härte: Rechtsextremisten greifen unsere Demokratie an. Sie wollen unseren Zusammenhalt zerstören.“ Er versicherte allen mit Migrationshintergrund: „Sie gehören zu uns! Unser Land braucht Sie.“

CDU-Chef Friedrich Merz äußerte sich positiv über die Auftritte in dutzenden deutschen Städten. „Ermutigend“ sei das. Aber: „Der Protest kann die mühevolle Arbeit in den demokratischen Institutionen nicht ersetzen.“

Die AfD verbreitete unterdessen im Internet den Vorwurf, Bilder der Demos seien manipuliert, um mehr Teilnehmer zu suggerieren. Die Deutsche Presse-Agentur wies das zurück und veröffentlichte weitere Aufnahmen. C. DEUTSCHLÄNDER

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