München – Martin Huber ist nicht faul. Der CSU-Generalsekretär hat auch in den vergangenen Tagen Interviews gegeben und die Sozialen Medien bespielt, er sprach und schrieb über AfD, Ampel, Lokführer, Werteunion, Cannabis-Legalisierung. Nur zur Entwicklungshilfe verlor er kein Wort.
Vor knapp zwei Wochen war das noch anders. In einem Tweet nannte Huber Beispiele, die seiner Meinung nach stellvertretend für die entrückte Entwicklungspolitik der Ampel stünden. „Grüne Kühlschränke in Kolumbien, ÖPNV in Lateinamerika, Fahrradwege in Peru, gendersensitive Dorfentwicklung in Bangladesch.“ Für all diese Zwecke sei Geld da, während „unsere hart arbeitenden Bäuerinnen und Bauern“ leer ausgingen. Hubers Fazit: „Die Belastungen der Ampel müssen vollständig zurückgenommen werden.“
Was Huber verschwieg: Die genannten Projekte waren keineswegs Ideen der aktuellen SPD-Entwicklungsministerin Svenja Schulze, sondern noch unter ihrem Vorgänger Gerd Müller geboren. Einem CSU-Mann.
Das Echo war und ist gewaltig. Auf Huber regnet es Hohn und Spott, und es sind nicht nur die üblichen namenlosen User, die sich da schroff empören. Bayerns FDP-Chef Martin Hagen nannte die Kritik „selbst für einen CSU-Generalsekretär peinlich“. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner klagte: „Es ist so fatal, was Sie tun.“
Soziale Medien und Generalsekretäre haben eines gemeinsam: den Hang zur Zuspitzung. Huber kann an seinem Tweet gleichwohl nichts Schlimmes finden. Es sei ihm um „Prioritätensetzung“ gegangen, sagt er. 2019, zu Müllers Ministerzeiten, habe die Wirtschaft gebrummt, es habe keine Agrarkürzungen gegeben, kein Bürgergeld. Heute sei das anders. Er habe darauf reagiert, dass Finanzminister Lindner ein weiteres Entgegenkommen beim Agrardiesel abgelehnt habe. „Es ging doch offensichtlich nicht darum, die Entwicklungshilfe madig zu machen“, sagt Huber, der sich selbst privat mit einem Projekt in Tansania engagiert. Aber er finde schon, „dass es möglich sein müsste, in so einer Zeit eine Milliarde für die Bauern abzuknapsen“. Für eine solche Einordnung war im Tweet dann kein Platz mehr.
Die Entwicklungshilfe bewegt sich oft unterhalb des öffentlichen Radars. Diesmal ist das anders, leider aus den falschen Gründen. Gendersensitive Dorfentwicklung in Bangladesch, das klingt nach einem kuriosen, klischeegrünen Nischenprojekt. Wohl auch deshalb taucht es in Hubers Beitrag auf. Tatsächlich aber taugt das Beispiel nicht zum Aufreger. Die angestrebten Ziele – Geschlechtergleichheit und die nachhaltige Gestaltung von Städten und Gemeinden – sind klassische Themen des Ressorts, zudem ist das finanzielle Engagement mit knapp 297 000 Euro überschaubar.
Ähnlich ist es mit den peruanischen Radwegen. Die sind zwar teurer, aber mit konkreten Absichten verbunden, vor allem der Senkung des CO2-Ausstoßes auf den Straßen der Elf-Millionen-Metropole Lima (siehe Text oben). Ministerin Schulze argumentiert mit Blick auf das Pariser Klimaschutzabkommen, man müsse schließlich weltweit Treibhausgase reduzieren: „Wenn es dann gelingt, in Peru CO2 einzusparen, ist das oft viel günstiger als das, was wir hier tun können. Deswegen ist das absolut sinnvoll investiertes Geld.“
Ein CSU-Mann rügt CSU-Entscheidungen, eine Ampel-Ministerin verteidigt sie. Oft kommt so was nicht vor.
Aber ganz so war es in Wahrheit halt auch nicht gemeint in dieser denkwürdigen Debatte, die ein bisschen aus dem Ruder gelaufen ist. Wolfgang Stefinger (CSU), der Obmann der Unions-Bundestagsfraktion im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kann sich „sehr gut vorstellen“, dass es dem Parteifreund Huber eher um die Form als um den Inhalt der aktuellen Entwicklungshilfe ging. Die „feministische Politik“, auf die sich die Ampel gerne berufe, sei nun mal ein „Kampfbegriff“, der Leute verlässlich „auf die Barrikaden“ treibe: „Da war ein Gerd Müller sensibler unterwegs.“
Für Martin Huber ist das Kapitel abgeschlossen, er hat keinen erklärenden Tweet mehr hinterhergeschickt. Dass er ordentlich einstecken musste, bekümmert ihn wenig. Er kennt sein Jobprofil: „Der CSU-Generalsekretär ist per se nicht in der Komfortzone beheimatet.“ MARC BEYER