Elektroautos: China überrollt die Welt

von Redaktion

VON SVEN HAUBERG

München – Ursula von der Leyen (CDU) ist alarmiert. Die Weltmärkte würden „mit billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt“, erklärte die EU-Kommissionspräsidentin bereits im September und kündigte vor dem EU-Parlament eine Untersuchung an. „Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt. Das verzerrt unseren Markt.“ Dabei dürfte von der Leyen vor allem Autobauer wie BYD im Visier haben, die unschlagbar günstige E-Autos produzieren. Das Unternehmen aus dem südchinesischen Shenzhen verkaufte im vergangenen Quartal weltweit erstmals mehr Elektrofahrzeuge als der bisherige Platzhirsch Tesla. Und auch VW hatte erstmals das Nachsehen. Nicht weltweit, aber auf dem chinesischen Markt. Dort verkaufte BYD vergangenes Jahr 2,4 Millionen Fahrzeuge, Volkswagen 2,3 Millionen.

In der chinesischen Heimat hat BYD mehrere Modelle zum Preis von umgerechnet nur rund 10 000 Euro im Angebot. Ein Hersteller wie Volkswagen kann bei solchen Billigangeboten nicht mithalten. Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass China bisweilen als Sündenbock herhalten muss für die Fehler der europäischen Anbieter, die zu lange auf den Verbrenner gesetzt haben. Laut dem Stuttgarter Forschungsinstitut ZSW hatte China im Jahr 2022 mit 6,5 Millionen einen Anteil von über 60 Prozent an den weltweiten Neuzulassungen für Elektroautos.

Wan-Hsin Liu vom Kiel Institut für Weltwirtschaft glaubt, dass die Regierung in Peking von der Leyens angedrohte Untersuchung „sehr ernst“ nimmt. „China braucht den europäischen Markt, auch für seine E-Autos“, sagt die Volkswirtin. „Außerdem könnte sich China angesichts der steigenden geopolitischen Spannungen fragen, ob nach den E-Autos auch noch andere chinesische Produkte, Firmen oder Investitionen ins Visier genommen werden und wie das alles Chinas Zugang zum europäischen Markt beeinflussen könnte.“

So bereitet den Europäern auch die chinesische Solarindustrie zunehmend Kopfzerbrechen. „Chinas Produktionskapazitäten reichen aus, um die ganze Welt 2,5-mal mit Solarpanelen zu beliefern“, rechnete unlängst der ehemalige Präsident der EU-Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke, vor. Das Problem: 90 Prozent der Solaranlagen kommen laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aus China, nur ein kleiner Teil aus der EU.

Verantwortlich für das Ungleichgewicht sind unter anderem massive Subventionen der chinesischen Regierung. Während ein Teil der hiesigen Branche nun finanzielle Hilfen aus Brüssel fordert, erinnern andere daran, dass europäische Zölle auf Solarmodule aus China der heimischen Industrie vor rund zehn Jahren den Garaus gemacht hatten, anstatt ihr zu helfen. Damals war die Nachfrage aufgrund der gestiegenen Preise gesunken. Ohnehin streitet China ab, einzelne Branchen zu sehr zu subventionieren. Dass Güter aus China so günstig seien, liege an der eigenen Effizienz. So oder so: Das Problem liegt auf dem Tisch. Zusammen mit anderen strittigen Themen, etwa dem geplanten Lieferkettengesetz der EU, das auch auf die chinesische Problemregion Xinjiang abzielt, hat sich einiges an Frust aufgestaut in Brüssel und Peking. Hinzu kommt ein gigantisches Handelsdefizit der Europäer, das EU-Ratspräsident Charles Michel vor Kurzem auf rund 400 Milliarden Euro bezifferte. Anfang Januar übte China schon einmal vorsorglich Vergeltung für die von der EU angekündigte Untersuchung zu subventionierten E-Autos, indem es ein Anti-Dumping-Verfahren gegen französischen Branntwein einleitete. Auch die Ausfuhr seltener Rohstoffe schränkte China ein.

An einen Handelskrieg will die Kieler Expertin Wan-Hsin Liu zwar nicht glauben. „Allerdings können sich die Spannungen und Konflikte zwischen China und der EU in den kommenden Jahren stark verschärfen“, sagt sie. Liu verweist auch auf die De-Risking-Strategie der Europäer, also den Versuch, sich in Schlüsselbereichen unabhängiger von China zu machen. Auch soll künftig genauer hingesehen werden, wenn Staaten wie China in der EU Unternehmen übernehmen wollen. China wiederum fordert für seine Firmen „die gleichen fairen industriellen Möglichkeiten, den gleichen Marktzugang und das gleiche Geschäftsumfeld“, wie sie europäische Unternehmen genießen würden. Pekings Staatsmedien werfen Europa immer wieder eine „anti-chinesische Haltung“ vor. Die EU lasse sich von den USA in den Systemkonflikt mit China hineinziehen. Chinas Premierminister Li Qiang betonte jüngst beim Weltwirtschaftsforum in Davos: „China ist ein Land, das das Vertrauen der Welt verdient.“

Wan-Hsin Liu hält dieses Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft allerdings für wenig glaubwürdig. Zwar sei China auf ausländische Investitionen angewiesen und brauche „aufgrund des schwachen einheimischen Konsums und der großen Überkapazität vieler Sektoren den ausländischen Markt mehr denn je“. Dennoch öffne sich die Volksrepublik immer nur bis zu jenem Punkt, an dem sie ihre eigenen Interessen gefährdet sehe – insbesondere die „nationale Sicherheit“, die schon immer oberste Priorität genieße. Liu ist überzeugt: „China ist bereiter denn je, eine langfristig schwächere wirtschaftliche Entwicklung dafür in Kauf zu nehmen.“

China braucht

Europas Märkte

Konflikt könnte sich verschärfen

China verfolgt

eigene Interessen

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