Die Debatte um mentale Aussetzer erfasst auch Trump

von Redaktion

Wunschdenken oder Wahrheit? Der Ex-Präsident löst mit wirren Auftritten Spekulationen aus, geistig abzubauen

München – Angefangen hat es ganz harmlos. Ende Oktober ernannte Donald Trump bei einer Wahlkampfrede Viktor Orbán zum Präsidenten der Türkei. Im Internet wurde der Lapsus genüsslich zitiert, verschwiegen wurde jedoch, dass Trump ihn nach 20 Sekunden korrigierte. Zutreffend bezeichnete er Orbán da als Regierungschef Ungarns.

Bis heute gilt die Episode als Beleg dafür, wie wenig informiert der einst mächtigste Mann der Welt ist. Mittlerweile hat das Thema aber noch einen anderen Unterton. Die Verwechslung wird nun als Indiz dafür gedeutet, dass Trump (77) geistig abbaut.

Beobachter zählten zuletzt allein sieben Momente, in denen er die Präsidenten Joe Biden und Barack Obama verwechselte. Für Aufsehen sorgte auch der Auftritt, bei dem er seine republikanische Kontrahentin Nikki Haley attackierte, in Wahrheit aber offensichtlich die Demokratin Nancy Pelosi meinte, die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses. Hinzu kommen immer wieder Sätze, die keinen Sinn ergeben, vertauschte Ortsnamen, wirre Argumentationen. Die kennt man allerdings auch aus seiner Zeit im Weißen Haus.

Seine frühere Sprecherin Stephanie Grisham, die 2021 ein Buch veröffentlichte, sagte vergangene Woche im US-Fernsehen, etwas stimme nicht mit Trump: „Er wirkt wie ein Mann, der mental verfällt.“ Darin liegt eine bitterböse Ironie. Stets war es bisher Trump, der die geistige Fitness seines Rivalen Biden (81) anzweifelte, den er seit Jahren als „Sleepy Joe“ verhöhnt, als schläfrigen, tattrigen Polit-Rentner.

Nun wenden sich die Geister, die er rief, plötzlich gegen ihn. Bidens Wahlkampfteam verbreitete jüngst ein Video mit allerlei Trump-Versprechern sowie dem Kommentar Haleys, Trump sei wohl etwas verwirrt. Er stimme nicht in vielem mit Haley überein, witzelte Biden, „aber in dieser Sache sind wir uns einig: Sie ist nicht Nancy Pelosi.“ Immer öfter kursieren in den Sozialen Medien zudem Aufnahmen eines ausgelaugten, müden Trumps nach Auftritten.

Trump-Geschichten sind ein Garant für mediale Aufmerksamkeit. Am besten laufen gewöhnlich die, die sich mit seinen Schwierigkeiten befassen. Darin schwingt das Wunschdenken mit, vielleicht werde es nun wirklich eng für Trump, der noch die größten Skandale bisher unbeschadet überstanden hat.

Stimmen muss die Theorie vom mentalen Verfall deshalb noch lange nicht. In der Regel stammen solche Thesen von Leuten, die ein persönliches Interesse daran haben, Trump schlecht dastehen zu lassen, sowie von solchen, die ihre frühere Nähe zu ihm ausschlachten, oder Experten für Ferndiagnosen.

Zur Wahrheit gehört, dass Bilder eines erschöpften Politikers keine Sensation sind. Der US-Wahlkampf ist eine Tortur, die den Kandidaten alles abverlangt und auch so manchen Aussetzer erklärt. Dass hinter der Bühne die Energie schlagartig absinkt, kommt immer wieder vor. Bei Biden dürfte sein Team penibel darauf achten, dass solche Bilder nicht die Runde machen. Bei Trump hingegen ist nicht mal auszuschließen, dass sie zum Kalkül gehören. Ihre Botschaft kann man schließlich auch anders lesen: als ein „Ich kämpfe für euch bis zur totalen Erschöpfung“.

Ein Thema wird das Alter der Rivalen in jedem Fall bleiben. Eine neue Studie, die das Portal „The Hill“ veröffentlichte, kommt zu dem Ergebnis, dass Biden mit höherer Wahrscheinlichkeit das Ende einer zweiten Amtszeit erleben würde. Für ihn spreche neben der Familiengeschichte die körperliche Fitness durch gesunde Ernährung und regelmäßigen Sport. Das ist ein wunder Punkt Trumps. Die sportlichen Aktivitäten des Fastfood-Liebhabers beschränken sich aufs Golfen.

Haley (51) kommt die Debatte sehr gelegen. Zuletzt forderte sie für Politiker ab 75 Tests zur mentalen Gesundheit. Eine Reaktion Trumps, der sonst keinem Streit mit ihr aus dem Weg geht, gibt es bisher nicht. MARC BEYER

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