München – Bayern mit seiner hohen Kaufkraft und den Alpen direkt vor der Haustür: Die Anziehungskraft des flächenmäßig größten Bundeslandes ist enorm. Um auch die Zukunft im Blick zu behalten, lässt der Freistaat regelmäßig Prognosen zum Bevölkerungswachstum erstellen. Die neueste Prognose hat Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gestern vorgestellt. Natürlich gibt es in den Berechnungen des Landesamts für Statistik einige Variablen. So kann niemand sagen, wie sich die Krisenherde in Europa entwickeln, etwa der Ukraine-Krieg, der eine erhebliche Flüchtlingswelle ausgelöst hat. Aber die Tendenz ist für die Statistiker eindeutig. Bayerns Bevölkerung wächst weiter. Lebten Ende 2022 rund 13,37 Millionen Menschen im Freistaat, werden es 2042 13,98 Millionen sein – 610 000 mehr.
Zu wenig Kinder
Ob eine Bevölkerung wächst, hängt zum einen von der „natürlichen“ Bevölkerungsbewegung ab. Statistiker bezeichnen damit den Saldo aus Geburten und Todesfällen, Und da hat der Freistaat ein Defizit. 2022 kamen 124 900 Kinder zur Welt. Das reicht bei Weitem nicht, um die 152 400 Todesfälle auszugleichen. Die Geburtenrate lag bei 1,5 Kindern pro Frau. Die Studie geht davon aus, dass diese Rate bis 2042 stabil bleiben wird. Die Sterbefälle hingegen werden zunehmen auf über 160 000 pro Jahr.
Die Folge: Bayerns Bevölkerung würde „natürlich“ bis zum Jahr 2042 um etwa fünf Prozent schrumpfen.
Ausweg Zuwanderung
Dass das nicht passiert, liegt an der „räumlichen“ Bewegung, also der Zuwanderung. Allein in den Jahren 2012 bis 2022 sind – bereits abzüglich der Wegzüge – 1,07 Millionen Menschen nach Bayern zugewandert. Der Zulauf aus den anderen Bundesländern war mit rund 65 000 vernachlässigbar. Die Mehrzahl der „Zuagroasten“, mehr als 1,01 Millionen, kam aus dem Ausland. Und das bleibt auch in Zukunft so. So wird Bayern also doch wachsen – um 4,6 Prozent bis 2042.
Bayern wird älter
Vorbereiten muss sich Bayern auch auf mehr Ältere. Die Zahl der unter 20-Jährigen bleibt zwar stabil, aber 2042 wird fast jeder vierte Bayer (22,9 Prozent) 67 oder älter sein, 2022 waren es nur 18,5 Prozent. Dafür wird es weniger 20- bis 67-Jährige geben (58,4 statt 62,7 Prozent). Das Durchschnittsalter steigt um fast eineinhalb Jahre auf 45,4 (44). Die Folge: Die Arbeitnehmer werden mehr Rentner versorgen müssen. Derzeit kommen auf 100 Erwerbsfähige 35 Rentner. 2042 werden es 39 sein – würde man einen Renteneintritt bereits mit 65 Jahren zugrunde legen, wären es sogar 45.
Blick in die Bezirke
Bayern ist nicht gleich Bayern. Der Norden bleibt laut Prognose strukturell schwächer – vor allem Unter- und Oberfranken. Wie die Grafik zeigt, werden die Kreise Main-Spessart, Rhön-Grabfeld, Lichtenfels, Kulmbach, Hof, Wunsiedel im Fichtelgebirge, Tirschenreuth und Kronach an Bevölkerung einbüßen. Besonders hart trifft es Kronach mit einem Schwund von 9,6 Prozent. Unterfranken schrumpft insgesamt um 0,5, Oberfranken um 2,0 Prozent.
In Mittelfranken und der Oberpfalz sieht es etwas besser aus. Mittelfranken wird bis 2042 um 2,8 Prozent wachsen. Garanten dafür sind die Stadt Fürth (+7,4) sowie die Landkreise Erlangen-Höchstadt (+5,3) und Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim (+5,2). Die Oberpfalz wird laut der Prognose um 3,4 Prozent wachsen. Motor ist dort der Kreis Neumarkt mit 8,4 Prozent, gefolgt vom Kreis Schwandorf und der Stadt Regensburg mit je 6,5 Prozent. Der Kreis Regensburg wächst um 6,2 Prozent.
Ein kleiner Boom erwartet Niederbayern. Um 6,2 Prozent wird die Bevölkerung dort wachsen, auf 1,35 Millionen. Die Landkreise an der Grenze zu Tschechien sowie auch Deggendorf werden aber nur wenig profitieren, der Zuwachs geht vor allem auf das Konto von Stadt (+9,5) und Kreis (+12,3) Landshut sowie der Landkreise Kelheim (+8,9) und Dingolfing-Landau (+9,3). Auch Schwaben wird deutlich belebter. 7,9 Prozent mehr Menschen werden 2042 dort leben. Vor allem die Stadt und der Landkreis Augsburg wachsen erheblich um 8,8 bzw. 10,1 Prozent.
Hotspot Oberbayern
Oberbayern ist und bleibt ein Magnet. Um 6,6 Prozent wird der mit Abstand bevölkerungsreichste Regierungsbezirk wachsen – von 4,8 auf dann 5,12 Millionen Einwohner. Vor allem die ohnehin dicht besiedelte Metropolregion München wird das spüren. Die Stadt wird um 91 200 Einwohner (6 Prozent) auf 1,6 Millionen zulegen, der Landkreis um 4,8 Prozent.
Der stärkste Zuzug (siehe auch Tabelle) wird für die Landkreise Ebersberg (11,0), Pfaffenhofen an der Ilm (11,0) und Dachau (10,5) vorhergesagt. Der Kreis Garmisch-Partenkirchen wird am wenigsten wachsen – um nur 2,5 Prozent. Dafür wird er der älteste oberbayerische Landkreis sein – mit einem Durchschnittsalter von 47,3 Jahren (2022: 46,7). Insgesamt wird Oberbayern bis 2042 um 1,2 Jahre älter mit dann 44,4 Jahren im Schnitt. Eine Ausnahme ist die Stadt München. Der enorme Geburtenüberschuss beschert der Isarmetropole das bayernweit niedrigste Durchschnittsalter von 42,1 – wobei auch München um 0,7 Jahre altern wird.
Was es nun zu tun gilt
Für Innenminister Joachim Herrmann steht fest: „Es ist offensichtlich, dass wir auf die gezielte und passgenaue Zuwanderung von ausländischen Fachkräften aus der EU und Drittstaaten angewiesen sind.“ Jedoch dürfe dies nicht über eine unkontrollierte Migration geschehen. Das überfordere „die Sozialsysteme und die Integrationsfähigkeit unseres Landes“.
Aber auch gesteuerte Migration, so Herrmann, sei kein Allheilmittel. Bayern stoße beim Flächenverbrauch und beim Wohnungsbau an Grenzen – insbesondere in den Städten. „Unser Ziel muss deshalb auch sein, das Wachstum in alle Räume Bayerns zu lenken, weg von überhitzten Ballungsräumen.“
Wie das gelingen soll? Der ländliche Raum sei attraktiver geworden, sagt Herrmann. „Diese Entwicklung müssen wir weiter unterstützen.“ Als ein Mittel nannte er die Verlagerung von Behörden. So verlegt die Regierung von Oberbayern bis 2030 rund 1000 Arbeitsplätze aus München nach Rosenheim und Ingolstadt. Auch die Digitalisierung und Homeoffice mache Wohnen und Arbeiten abseits großer Städte attraktiver. Dafür brauche es aber einen Ausbau der Infrastruktur, des Mobilfunks und der Datenleitungen, räumte der Minister ein. Das Ziel sei, gleichwertige Lebensverhältnisse für Stadt und Land zu schaffen.