So machen wir uns selber glücklich

von Redaktion

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VON KATHRIN BRAUN

München – Glücklich zu sein – wer wünscht sich das nicht. Dafür muss man aber nicht gleich sein ganzes Leben umkrempeln, sagt Dorothee Salchow. „Glücksmomente entstehen schon im Kleinen“, erklärt die Expertin für Positive Psychologie, umgangssprachlich auch Glücksforschung genannt. Als eigene Forschungsrichtung konzentriert sich die Positive Psychologie auf die Frage, welche Voraussetzungen für ein zufriedenes Leben erfüllt sein sollten.

Gute Taten im Alltag

Großzügigkeit macht glücklicher. Das haben Hirnforscher der Universitäten Lübeck und Zürich in einer Studie herausgefunden. Bei einem Versuch hatten sie Probanden einen Monat lang wöchentlich Geld geschenkt. Die eine Hälfte sollte das Geld selbst verprassen. Die andere Gruppe wurde gebeten, das Geld für Freunde und Bekannte auszugeben, etwa, indem man sie zum Essen einlädt. Das Ergebnis: Die Probanden der großzügigen Gruppe berichteten am Ende des Versuchs von einem gesteigerten Glücksgefühl. „Dieses Glücksgefühl durch eine gute Tat bezeichnet man auch als Warm-glow, was im Deutschen mit wohligem Gefühl übersetzt werden kann“, heißt es in der Studie.

Das Geld ist für diesen Effekt irrelevant: Gute Taten müssen nichts kosten. Ab und zu jemandem die Tür aufhalten, Mitmenschen ein Kompliment machen, Freunden ein offenes Ohr schenken oder ein aufrichtiges Danke an der Supermarktkasse – laut Dorothee Salchow reichen schon kleine Gesten, um das Glücksgefühl zu steigern. „Als soziale Wesen funktionieren wir Menschen wie Spiegel“, sagt sie. „Ist mein Gegenüber glücklich, kann sich das auf mich übertragen.“

Resilienz steigern

Manche Menschen haben die besondere Fähigkeit, sich selbst nach schlimmsten Schicksalsschlägen wieder aufzurappeln. In Fachkreisen nennt man diese Eigenschaft Resilienz. Der Begriff stammt eigentlich aus der Materialkunde und bezeichnet Stoffe, die auch nach extremer Spannung in ihren Ursprungszustand zurückkehren – wie Gummi. Auch Menschen können wie Gummi sein, sagt Salchow – allerdings werde das den wenigsten in die Wiege gelegt. „Resilienz lässt sich erlernen“, sagt die Expertin.

Wichtig ist: Resilienz bedeutet nicht, Krisen vermeiden zu können, sondern die Fähigkeit, sie zu akzeptieren und sich dann zügig wieder von ihnen zu erholen. Resilienzübungen sind also als Präventivmaßnahmen zu betrachten, um gestärkt in schlechte Zeiten gehen zu können. Um die Resilienz zu stärken, können Achtsamkeitsübungen sinnvoll sein, sagt Salchow. Der Begriff wird oft mit wilden Yoga-Verrenkungen und Mantra-Gesängen in Verbindung gebracht – bedeutet aber lediglich einen Stressabbau durch die bewusste Wahrnehmung des Moments. „Wenn ich mit meinen Gedanken ständig bei Mails, Deadlines, den Aufgaben von morgen bin, dann setzt das kontinuierlich Adrenalin und Cortisol in meinem Körper frei“, erklärt Salchow. „Eine wirksame Technik zum Abbau von Stresshormonen ist: Aktiv erkennen, dass im Hier und Jetzt alles gut ist.“ Dafür gebe es diverse Übungen. „Ein einfacher Trick: auf die Sinneswahrnehmungen konzentrieren. Dafür zähle ich zum Beispiel fünf Dinge auf, die ich sehe, vier, die ich höre, drei, die ich rieche – und so weiter.“ Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts haben in einer Studie herausgefunden, dass mentales Training, das Achtsamkeit, Dankbarkeit oder Mitgefühl fördert, die Konzentration von Stresshormonen im Haar tatsächlich verringert hat.

Glücksliste erstellen

Eine simple Übung für zwischendurch: Listen mit positiven Emotionen erstellen. „Die meisten Menschen wissen ziemlich genau, was ihnen guttut“, sagt Salchow. Tee trinken, Sauna, Spaziergänge: Es kann hilfreich sein, die kleinen Momente des Glücks einmal schriftlich festzuhalten, sagt die Expertin. „Schreiben Sie 15 bis 20 Dinge auf, von denen Sie wissen, dass sie positive Gefühle bei Ihnen auslösen.“ Wichtig ist, dass die Punkte schnell umzusetzen sind – also lieber den Lieblingsfilm aufschreiben als eine Urlaubsreise. Wenn dann mal die Laune unten ist, lassen sich die Glücksmomente wie bei einer Einkaufsliste schnell besorgen.

Genug Vitamin D

Vor allem in der dunklen Jahreszeit bleibt die Vitamin-D-Versorgung schnell auf der Strecke. Laut dem Robert-Koch-Institut ist fast ein Drittel der Erwachsenen unterversorgt. „Der Mangel kann sich negativ auf unsere Psyche auswirken“, sagt Salchow, „deshalb sind zum Beispiel Tageslichtlampen im Winter empfehlenswert.“ Auch ein 20-minütiger Spaziergang am Morgen könne helfen. „Dabei keine Sonnenbrille tragen und zwischendurch bewusst in den Himmel schauen“, rät die Expertin. Wer einen Vitamin-D-Mangel vermutet, sollte das mit seinem Hausarzt absprechen – in manchen Fällen kann auch eine Supplementierung, also eine ergänzende Zuführung, sinnvoll sein.

Eigene Stärken testen

„Es macht viel mit unserer grundsätzlichen Zufriedenheit, wenn wir wissen, wo unsere Stärken liegen“, sagt Salchow. Sie empfiehlt einen Fragebogen, den die Uni Zürich kostenfrei im Netz anbietet: Dabei sollen die psychologischen Stärken eines Menschen gemessen werden. Der „VIA-IS“-Test wurde am US-amerikanischen „VIA Institute on Character“ in Ohio entwickelt und erfasst 24 Stärken. Dafür muss der Befragte einschätzen, wie zutreffend die 240 Aussagen in dem Fragebogen sind. Beispiele: „Ich bin immer bemüht, an Weiterbildungsveranstaltungen teilzunehmen“, „Kompromissfähigkeit ist ein wichtiger Teil meiner Person“, „Ich betrachte immer verschiedene Seiten eines Problems“, „Ich kann gut verzeihen“. Am Ende liefert der Test eine Übersicht über eigene Stärken wie Humor, Dankbarkeit, Neugier, Vergebung, Freundlichkeit oder Kreativität. Durch die Ergebnisse gewinne man mehr Klarheit über seine „Motive, Werte, Eigenschaften und Fähigkeiten“, heißt es von der Uni Zürich.

Soziale Beziehungen

Eine mehr als acht Jahrzehnte dauernde Studie der Harvard Universität in den USA hat ergeben, dass individuelles Glück extrem vielschichtig ist. Die Forscher begleiteten seit 1938 knapp 2000 Menschen aus drei Generationen. Ein Faktor aber hat sich in der Studie als übergreifend wichtig herausgestellt: gute soziale Beziehungen. Laut den Forschern geht es dabei nicht nur um Partner und Familie, sondern auch um Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen und sogar Zufallsbegegnungen. Sie alle könnten das Wohlbefinden nachhaltig steigern. „Gute Beziehungen machen uns gesünder und glücklicher“, so die Studienleiter Robert Waldinger und Marc Schulz. Materielle Dinge seien zwar auch wichtig, aber den Unterschied machten letztlich gute Beziehungen, in denen man sich unterstützt und geschätzt fühle. Die Forscher empfehlen, den „sozialen Muskel“ zu trainieren, also ständig in soziale Kontakte zu investieren. Das sei ein Prozess, der zu dauerhafter Freude und einem glücklichen Leben beitrage.

Gezielt informieren

Die Pandemie, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, zwischendurch Umweltkatastrophen: Nachrichten können derzeit besonders bedrückend sein. Wer von all dem mal nichts hören wolle, sagt Salchow, müsse kein schlechtes Gewissen haben. „Viele Menschen befürchten, dass sie dann die Augen vor der Realität verschließen. Wir sollten uns aber darüber im Klaren sein, dass sich der Nachrichtenkonsum stark verändert hat: Mittlerweile prasseln im Minutentakt negative Meldungen auf uns ein, das ist ab einem gewissen Maß kaum noch zu ertragen.“ Das, betont die Expertin, bedeute keineswegs, dass man sich nicht mehr über seriöse Medien informieren solle. Statt aber ständig Liveticker zu verfolgen, könne man sich einen klaren Zeitrahmen für Nachrichtenkonsum schaffen. „Nicht direkt nach dem Aufstehen, aber vielleicht jeden Tag nach dem Mittagessen – und dann für den Rest des Tages abschalten.“

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