Lieber Bulle in Bayern als Rindvieh in Berlin

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

Passau – „Tachchen, Moinmoin, Hallöchen“ – mancher, der gerade noch seine Mass Bier genauer in Augenschein genommen hat, blickt verdattert auf. Ja, doch, der Mann auf der Bühne sieht aus wie Markus Söder. Und schon kommt auch die Auflösung. So würden sich die Roten, die Gelben und die Grünen begrüßen, ruft der CSU-Chef. Aber hier in Bayern, in Passau, in dieser Halle, beim Aschermittwoch der CSU – da nicht. „Wir sagen Servus und Grüß Gott“, ruft Söder – und proklamiert die „garantiert ampel- und wokenessfreie Zone“. Das Publikum jubelt. Der Ton sitzt. Es folgen rund 70 Minuten Söder-Show.

Hatte im vergangenen Jahr noch die von der Kapelle versemmelte Einmarsch-Musik für kurzzeitige Entgeisterung gesorgt, war Söder gestern wieder zum fehlerfrei aufgespielten und schier endlosen Defiliermarsch in den Saal geglitten. „Das ganze Jahr bin ich Staatsmann“, steigt der Ministerpräsident ein, dem manche wohl zumindest tageweise auch anderes attestieren würden. Wie auch immer: Heute jedenfalls gelte freie Fahrt.

Söder drischt zuerst auf die Berliner Regierungskoalition ein, deren Beliebtheit er irgendwo „zwischen Strafzettel, Steuererklärung und Zahnwurzelbehandlung“ verortet. „Ihr hattet eure Chance“, ruft er. „Die Ampel muss weg!“ Begeisterter Beifall.

Damit trifft Söder auch den Nerv von Andreas Spreng. Der 88-Jährige aus Nassenfels im Landkreis Eichstätt hält mit beeindruckender Ausdauer ein großes Schild hoch, dass die Abwahl der Ampel fordert. Er hoffe immer noch darauf, dass es vielleicht schon zur Europawahl im Juni auch eine Neuwahl für Deutschland geben könne. „Was alles schiefläuft, ist bekannt“, sagt Spreng.

Markus Söder weist trotzdem noch einmal darauf hin, was das aus seiner Sicht alles ist. Eine weit unvollständige Auflistung: Die Ampel wolle die Gesellschaft umbauen. Doch die CSU werde die neue „Staatsbürgerschaft light“ rückgängig machen, sobald sie könne. Genauso werde man das Bürgergeld in seiner jetzigen Form wieder abschaffen – „und durch die gute alte Sozialhilfe ersetzen“. Die Ampel wolle mit der Tierwohlabgabe eine „neue Fleischsteuer“. Überhaupt der „ständige Kleinkrieg gegen Fleisch“ oder auch gegen die Anbindehaltung: Er sei „lieber Bulle in Bayern als Rindvieh in Berlin“, sagt Söder. In den hinteren Reihen klappt unter Gejohle die erste Bierbank zusammen.

Gleichzeitig solle das neue Wahlrecht „Bayern mundtot machen“, ruft Söder. „Warum nur sind die so gegen uns?“ Es sei der pure Neid. Die niedrigste Armut, die niedrigste Kriminalität. Der Süden sei das Herz Deutschlands, das pumpe und pumpe. „Und woanders werden die ersten Gliedmaßen taub.“ Der Freistaat könne „ohne Deutschland leichter leben als Deutschland ohne Bayern“. Tosender Applaus.

Bayern sei das einzige Land ohne Grüne in der Regierung – was, so verspricht Söder, auch so bleiben werde. Auch im Bund sei die CSU dafür nicht zu haben. „Habeck, Baerbock und Frau Lang brauchen endlich eine Auszeit.“ Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bezeichnet er als „grüne Margot Honecker“. Mit seiner Absage an Schwarz-Grün widerspricht Söder auch CDU-Chef Friedrich Merz, mit dem er aber gut zusammenarbeite. „Der Fritz und ich werden das schon richten und wuppen in Deutschland“, sagt Söder.

Das alles kommt gut an in der Dreiländerhalle. Zum 37. Mal sei er in Passau dabei, wird später Willi Fischer (70) sagen. Und erst heute erlebe er, dass wieder ein Redner an den großen Franz Josef Strauß heranreiche. „Das war Söders bisher stärkster Auftritt“, findet Fischer.

Dabei bekommt nicht nur die Ampel ihr Fett weg. Söder nimmt sich auch den Koalitionspartner von den Freien Wählern zur Brust. „Ministrieren“ gehe vor „demonstrieren“ gibt er seinem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger mit auf den Weg, der zuletzt auffallend häufig auf Bauern-Demonstrationen anzutreffen war. Das sei natürlich „nicht bös“ gemeint, auch wenn die Freien Wähler derzeit nervös seien, weil ihr „Flugblatt-Bonus“ genauso schwinde wie die Umfragewerte. Aber es sei nun mal seine Aufgabe, aus jedem in der Regierung das Beste rauszuholen, sagt Söder – ähnlich wie bei einer Fußballmannschaft. Und da könne der Torwart ja auch nicht vorne rumturnen. Aiwanger wird vermutlich froh sein, dass ihm das mal einer erklärt.

Richtig hart wird Söder dann, als es um die AfD geht. Während die Ampel „nur schlecht“ sei, sei die Partei ganz rechts der wahre Feind, vor dem es „sogar Frau Le Pen“ grause. „Die wirklich vaterlandslosen Gesellen, die hocken bei denen“, sagt Söder. Und „Putin-Pudel Nummer eins“ Björn Höcke wünscht er: „Gute Reise nach Moskau.“ Die AfD-Chefin im Landtag, Katrin Ebner-Steiner, nennt er „Leni Riefenstahl für Arme“.

Am Ende gibt es minutenlang stehenden Applaus. Die Basis skandiert „Zugabe“ und „Oh, wie ist das schön“. Der auf Söder folgende Europa-Spitzenkandidat Manfred Weber hat es zunächst schwer, die Aufmerksamkeit auf sich und seine Themen zu lenken. Auch Weber haut in Maßen drauf – er fordert Neuwahlen und geißelt das EU-Verbrennerverbot ab 2035. Er schlägt aber auch nachdenklichere Töne an – etwa wenn es um die Ukraine geht, oder um die Gefahr, die von der AfD für Europa ausgehe.

Angesichts der Weltlage und der anstehenden Europawahl hatten im Vorfeld manche auch von Söder einen vielleicht weniger lauten Auftritt erwartet. Doch der hat lieber voll aufgedreht.

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