„Und die Woken bohren uns in der Nase herum“

von Redaktion

Aiwanger schimpft über Ampel und AfD – seinen schwierigen Partner Söder straft er durch Nichtbeachtung

Deggendorf – Am Ende, in der Halle hängt noch ein Hauch der Bayernhymne, schaut Hubert Aiwanger mit einem vielsagenden Grinsen die verdutzten Journalisten an. „Lass ma’s“, raunt er. Er habe sich heute um die wichtigen Themen gekümmert, „das andere ist eh klar“. Dabei hatten alle auf „das andere“ gewartet: dass der Freie-Wähler-Chef der CSU eine Replik hindonnert, dass die Wände wackeln. Tut er aber nicht.

Aiwanger absolviert einen Polit-Aschermittwoch mit Attacke und ein bisschen Polemik, aber ohne Angriffe auf den Partner CSU, der ihm neben kleinpolitischen Nickligkeiten ein Abdriften an den rechten Rand vorwarf. Ob es Milde ist oder Strafen durch Nichtachtung, lässt Aiwanger offen. Allenfalls ergänzen seine Sekundanten in der Partei halblaut, das sei so viel souveräner als Söders Nachtreterei.

An einer Stelle nur sagt Aiwanger, er lasse sich nicht „von irgendwem“ in „irgendeine Ecke“ stellen, sein Platz sei die „gelebte Mitte“. Dass dieser „Irgendwer“, also Ministerpräsident Söder, zeitgleich in Passau nachlegt, prallt diesmal ab. Aiwanger nutzt diesen Auftritt lieber, um ein wenig abzurüsten, die vielen Kritiker zu besänftigen. Als Hauptgegner identifiziert er die Ampel und die Extremisten links wie rechts.

Es ist in Deggendorf eine Art „Passau light“: kleiner, nahbarer, keine von der Parteizentrale ausgedruckten Politsprüche an der Wand, aber die Halle doch so dicht besetzt, dass der Einzug zum Defiliermarsch der Bayerwald-Kapelle Zwiesel nicht pimpfig wirkt. Zum Parteichef kann man einfach hinschlendern, er sitzt vorne mit einem Wasser. Die Flasche steht offen da, keine Kamillentee-Camouflage im Tonkrug wie einst bei CSU-Chef Stoiber. Nicht alle Redner sind so gewandt, anders als in Passau darf man auch mal eine Pointe vernuscheln.

Ein Redner sticht neben ihm heraus. Fraktionschef Florian Streibl, der einiges an seinem Vorsitzenden sehr kritisch sieht, wirbt um Solidarität in der Partei, ohne zu schleimen. „Man kann sich an uns reiben“, sagt Streibl, „am Hubert momentan ganz besonders“. Der Oberbayer spricht die schwelende Richtungsdebatte an. „Ich bin nicht links und schon gar nicht rechts“, ruft er in die Halle. „Ich bin mal liberal, mal stockkonservativ. Ich bin in der Mitte. Und deshalb bin ich Freier Wähler.“ Das gibt kein Gejohle, aber ehrlichen Beifall der gut 700 in der Stadthalle. Es ist aber auch die Botschaft, sich gegen einen Rechtsruck zu stemmen.

Aiwanger als Schlussredner widerspricht nicht. Auch er redet von „Mitte“. „Wir brauchen keine Extremisten, sondern eine starke Mitte. Wir müssen die Extremisten stellen und kaltstellen.“ Den Parteinamen AfD nennt er nicht.

Er redet wie immer frei, hat die Inhalte intus. Schärfe packt er in die Migrationsdebatte, den Ruf nach härterem Grenzschutz, beklatscht in der Halle. Er kritisiert den sanften Umgang mit ukrainischen Flüchtlingen, die nicht arbeiten. „Wir bräuchten die Leute, etwa in der Gastronomie, wo auch immer“, beim Arbeiten seien sie „von ihren Traumatas abgelenkt“. Er bezieht das auf die Behörden. Arbeit für Ukrainer sei eine „bessere Integration als ein Grammatikkurs mit grammatischen Ausdrücken, die wir selber nicht kennen“.

Fester Teil der Rede ist auch Kritik am überzogenen Sozialstaat, bei dem sich „der Normalverdiener fragt, ob er sich nicht besser als Bürgergeldempfänger melden soll“. Ärger über den Atomausstieg: „Wir werden am Ende noch froh sein, wenn wir vom Ausland Atomstrom und Kohlestrom kriegen.“ Werben für den Plan, Zuverdienst bis 2000 Euro steuerfrei zu stellen, um Rentner im Arbeitsmarkt zu halten: Bald würden „so viele Arbeitskräfte, so viel Know-how in Pension gehen, dass wir mit den Ohren wackeln“. Und Spott über die Polit-Blasen, die den Menschen „täglich mit woken Themen in der Nase rumbohren“.

Das reicht nicht für Ekstase in der Halle, aber für sehr gute Stimmung. Nur dem Dutzend Polizisten draußen ruft Aiwanger zu, eigentlich dürften sie auch heimgehen: „Bei uns passiert nix, weil hier die anständigen Leute sind.“ CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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