München – Die Kunst der Selbstinszenierung zählt zu den Eigenschaften, die Markus Söder nicht gerade fremd sind. Geradezu perfektioniert hat er diese Gabe bei der traditionellen Franken-Fastnacht in Veitshöchheim, wo der Ministerpräsident Jahr für Jahr in seine Trickkiste origineller Kostüme greift: ob als Marilyn Monroe, Homer Simpson, Mahatma Gandhi oder wie zuletzt in einer kleinen Anwandlung von politischem Größenwahn als Bismarck, Söder ist immer für eine Überraschung gut.
Das Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg ist ebenfalls immer für Überraschungen gut. Auch die aktuelle Aufführung am kommenden Mittwoch verheißt da einiges, wie bei der Pressekonferenz am Freitag deutlich wird. Ausgangspunkt der Story ist die Fastnacht in Franken, nach der die Protagonisten im Nirgendwo stranden, wie die Singspiel-Autoren Stefan Betz und Richard Oehmann verraten. Der Titel des Bühnenstücks: „Albträumereien.“ Weil es nach Meinung der Autoren irgendwie auch zur aktuellen Atmosphäre passt.
Dass dabei „ein sehr schönes Duett-Duell“ zwischen Söder (gespielt von Thomas Unger) und dem ihm in inniger Abneigung verbundenen Hubert Aiwanger (Stefan Murr) eine wesentliche Rolle einnimmt, überrascht kaum. Dem stellvertretenden Ministerpräsidenten wird häufig vorgeworfen, er fische mit seiner Art der Selbstinszenierung am rechten Rand. Dafür, so Betz, werde er sein „privates Fegefeuer“ erleiden. Ansonsten aber werde man bunt durchmischen: „Jeder ist des anderen Albtraum“, sagt Betz. „Kein Politiker kommt zu kurz.“ Musikalisch wurde laut Oehmann unter anderem „einer der penetrantesten Ohrwürmer der 80er-Jahre recycelt“.
Erstmals eine Rolle beim Singspiel hat Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Ein Privileg, das sie sich nach Meinung von Regisseur Oehmann verdient hat: „Sie ist die Blumigste im Kabinett.“ Vermutlich ist Kanibers Auftritt – gespielt von Judith Toth – ein Indiz dafür, dass auch die Bauernproteste Thema sind. Kanzler Scholz wird abermals von Nikola Norgauer dargestellt. Weiter auf der Bühne: Christian Pfeil (Christian Lindner), David Zimmerschied (Friedrich Merz) und Thomas Limpinsel (Robert Habeck), Sina Reiß (Katharina Schulze) und Gerhard Wittmann (Dieter Reiter). Debütantin Natalie Hünig verkörpert ein mysteriöses Wesen, „das die Geschichte klammert“, wie Betz und Oehmann verraten.
Vor dem Singspiel wird Maximilian Schafroth den Politikern in seiner Fastenpredigt die Leviten lesen. Seit 2019 steht der Allgäuer auf der Salvator-Bühne. Um Input für seine Rede zu bekommen, hat er sich diesmal sogar auf einen CSU-Parteitag eingeschleust, was Markus Söder verwirrt habe, wie er erzählt. Die Beziehung zwischen dem Ministerpräsidenten und Aiwanger bezeichnet der Kabarettist als „hochinteressant toxisch“. Für Kanzler Scholz wiederum „würde es sich auch lohnen“, auf den Nockherberg zu kommen. „Ich hab auch noch ein Gästezimmer frei“, scherzt Schafroth.
Wer wirklich von der Polit-Prominenz aus Berlin nach München kommt, will Paulaner-Chef Andreas Steinfatt nicht verraten. Für ihn ist es die letzte Starkbierprobe als Moderator und als Geschäftsführer der Brauerei. Schon am 29. Februar ist sein letzter Arbeitstag. Der 54-Jährige ist seit 1995 bei Paulaner, gehört seit 2006 der Geschäftsführung an und verantwortet seit 2007 auch die Starkbierprobe. Steinfatt sagt, er sei ein emotionaler Mensch und wisse nicht, ob er am Mittwoch vor dem Auftritt eine Mass Salvator oder einen Liter Baldrian trinken soll. Auf alle Fälle werde er gerade den Nockherberg sehr vermissen.
In all den Jahren war Steinfatt nicht nur als Moderator, sondern auch als Krisenmanager gefragt – gerade, wenn eine Rede recht scharf geriet. Die heikelste Mission hatte er nach eigenen Worten 2010 zu meistern, als Fastenprediger Michael Lerchenberg zusammen mit Autor Christian Springer einen folgenschweren Vergleich zog. In einer Passage ließen sie FDP-Chef Guido Westerwelle durch die Lande ziehen und Hartz-IV-Empfänger in Lager sperren. Der KZ-Vergleich (siehe auch rechts) erforderte Steinfatts diplomatisches Geschick. Dennoch sei immer klar gewesen: „Wir zensieren nichts.“ Und alles in allem sei diese Arbeit „eine Berufung, ein Privileg“ gewesen.
DER NOCKHERBERG
wird am Mittwoch, 28.2., ab 19 Uhr live im Bayerischen Fernsehen übertragen.