Ernüchterung bei den Cannabis-Freunden

von Redaktion

VON WOLFGANG HAUSKRECHT

München – Jakob Richter sitzt im ersten Stock von „Alis Superfood“ am Marienplatz. Selbst wenn er hier kiffen würde, dürfte man es kaum merken, so schwer hängt der Dönergeruch in der Luft. „Ist Vier minus schon durchgefallen?“, fragt er ans andere Tischende. Dort sitzt Werner Degenhardt, ein Mitbegründer des Cannabis Social Club München (CSC). Kopfschütteln. „Na dann eine Vier minus“, sagt Richter. Soll heißen: Das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis ist besser als nichts – aber nicht mehr.

Jakob Richter, 47, und Werner Degenhardt, 71, gehören zu jenem Teil der Bevölkerung, die in Cannabis keine große Gefahr sehen. Sie sprechen auch ungern von Droge, sondern lieber von einer Substanz. Vor allem aus dem 71-jährigen Werner, der nach eigenem Bekunden selber gar kein Cannabis konsumiert, sprudelt es, wenn es um die weibliche Hanfpflanze geht, aus der das Rauschmittel gewonnen wird. Die Ängste, sagt er gestikulierend, seien „so real wie die Angst eines Mallorca-Urlaubers, von einem Hai gefressen zu werden.“ Tabak, Alkohol und Zucker seien viel gefährlicher.

Es ist eine ewige Debatte, von der die beiden hofften, dass sie mit der Legalisierung abkühlt. Keine Stigmatisierung und Kriminalisierung von Cannabis-Konsumenten mehr. Aber das „CanG“, wie das Gesetz in Kurzform heißt, hat sie ziemlich ernüchtert. Das einzig wirklich Positive sei, sagt Degenhardt, dass Cannabis nun nicht mehr im Betäubungsmittelgesetz stehe. „Das ist sehr wichtig – zum Schutz der persönlichen Entwicklung vieler junger Menschen, um die haltlose Strafverfolgung zu beenden.“ Keine belasteten Biografien mehr wegen einer Tüte Cannabis in der Hosentasche.

Das war es dann aber auch mit Lob für die Ampel-Regierung. „Versprochen wurde uns die Abgabe in Geschäften“, sagt Richter. „So, wie es Weingeschäfte gibt“, ergänzt Degenhardt. Über kontrollierte Wege Cannabis abzugeben, wäre der sinnvolle Weg gewesen, betont er. „Dann weiß ich genau, was drin ist, weil ein Labor das getestet hat und ich Beratung bekomme.“

Abgabe an Erwachsene in lizenzierten Geschäften – so stand es auch im Koalitionsvertrag. Nun dürfen Volljährige privat drei Pflanzen selber anbauen, 25 Gramm bei sich tragen und 50 Gramm im Monat ernten. Bei Heranwachsenden (18 bis 21) sind es 30 Gramm bei begrenztem THC-Gehalt. Aber nichts davon darf an andere weitergegeben werden – auch nicht für lau.

Oder man wird Mitglied in einer Anbauvereinigung – was ein echter Marathon ist. Einfach so Mitglied sein, das geht nicht. Man muss aktiv mitwirken, sich registrieren lassen. Außerdem darf jede Vereinigung nur 500 Mitglieder haben, keinen Gewinn machen und maximal das produzieren, was die Mitglieder verbrauchen dürfen. Der Rest muss vernichtet werden. Und so geht es weiter: Minderjährige dürfen nicht näher als 200 Meter an die Anbaufläche rankommen können, es braucht also Zäune und Überwachung. Und Anbauflächen eher auf dem Land, zu denen die Mitglieder dann fahren müssen, um ihr Cannabis abzuholen – um es woanders zu konsumieren. Denn der Konsum im Verein ist untersagt. Werner Degenhardt formuliert es so: „Im Grunde ist es ein Anbauerschwernisgesetz. Die angenehmen Seiten des Konsums und Anbaus kennt nur der Schwarzmarkt.“ Für beide steht fest: Der Schwarzmarkt wird so nicht in dem Maße zurückgedrängt werden, wie es mit Fachgeschäften möglich gewesen wäre.

Auch die Meldepflicht, der Mitglieder von Anbauvereinigungen unterliegen, bereitet ihnen Sorgen. Degenhardt hält es da mit dem Märchen der Gebrüder Grimm vom Fuchs und den Gänsen: „Wenn es einen Regierungswechsel gibt, dann sagt der Fuchs zur Gans: Ach, da hab ich euch ja alle hübsch beinander, damit ich euch fressen kann.“

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Club sich bereits nach Anbauflächen umschaut – und fündig geworden ist. „Die Liegenschaft ist schon da. Wir könnten morgen anfangen“, bestätigt Richter. Wo genau, behält er lieber für sich. Eine große Lagerhalle im Norden von München, mit Anschluss an Wasser und Strom. Von privat. „Wir hatten auch Anfragen von Landwirten aus dem Raum Augsburg, die gesagt haben: Hey, ich habe ein altes Gewächshaus – wollt ihr nicht?“ Degenhardt schmunzelt und sagt: „Der bayerische Landwirt hat deutlich weniger Berührungsängste mit Cannabis als der Landesvater.“

Unklar sei, sagt Richter, ob der CSC selbst eine Anbauvereinigung gründen darf oder eine natürliche Person dies tun muss. Viele Fragen seien noch ungeklärt. „Wir brauchen erst den Text des Gesetzes und eine Rechtsberatung. Ein Anbauverein arbeitet letztlich wie ein mittelständisches Unternehmen, das Medizintechnik herstellt und geprüft wird.“ Aber eben mit Ehrenamtlichen. Die Kosten und das unternehmerische Risiko seien hoch.

Vom Freistaat Bayern erhofft sich der Cannabis Social Club keine Hilfe – ganz im Gegenteil. „Wir erwarten, dass uns größere Steine in den Weg gelegt werden als in anderen Bundesländern“, sagt Richter. Schon die Vereinsgründung im März 2023 sei ein Hürdenlauf gewesen. „Als wir ins Vereinsregister wollten, haben die das Wort Cannabis gelesen und gesagt: Ja wie? Cannabis? Das ist doch verboten! Wir sind bis zum Oberlandesgericht gegangen. Das hat uns dann erlaubt, den Verein zu gründen.“

Werner Degenhardt ist zum Abschluss noch eines wichtig. „Es geht uns nicht darum, jetzt massenhaft Cannabis anzubauen, sondern darum, die Pflanze aus der Schmuddelecke rauszuholen.“ Dafür will auch Jakob Richter weiter kämpfen. „Das Gesetz ist schlecht gemacht, aber ich will es nicht komplett schlechtreden. Denn es ist trotzdem ein Anfang.“

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