„Wir können uns im Iran nicht mehr frei bewegen“

von Redaktion

Sahar Sanaie kämpft aus dem Exil gegen die Mullahs – In ihrer Heimat wurde der Widerstand der Frauen brutal gebrochen

München – Sie verbrannten ihre Schleier, riefen zu Protesten auf, schnitten sich die Haare ab – und riskierten damit ihr Leben. Die iranischen Proteste, die auf den Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini am 16. September 2022 folgten, berührten Menschen auf der ganzen Welt. Die Parole „Jin, Jîyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) gaben unterdrückten Frauen auf der ganzen Welt Hoffnung. Doch heute ist es ruhig geworden um die iranischen Frauen: Das Mullah-Regime hatte zehntausende Demonstranten festgenommen, eingesperrt, misshandelt und hingerichtet – bis die Proteste wieder abnahmen.

„Ich habe Freunde und Familie in Iran“, erzählt die Deutsch-Iranerin Sahar Sanaie unserer Zeitung. „Die meisten haben so große Angst vor dem Regime, dass sie sich kaum noch trauen, nach links und rechts zu schauen. Es ist schwierig zu erfahren, wie es ihnen dort wirklich geht.“ Die 37-jährige Frankfurterin lebt seit ihrem fünften Lebensjahr in Deutschland – ihre Mutter floh mit ihr und ihrem Bruder, nachdem sie als Mitglied der kommunistischen Partei inhaftiert war. Heute ist Sanaie Aktivistin als Anhängerin im Nationalen Widerstandsrat des Iran (NWRI) und bei den Vereinten Nationen. „Ich habe viele Menschen an das iranische Regime verloren: Mein Vater war ein Mitglied der Volksmojahedin und fiel im Kampf für Freiheit im Iran. Seine Brüder wurden hingerichtet. Meine Familie hat so viel Leid erfahren. Deshalb schlägt mein Herz für den iranischen Widerstand.“

Doch dieser ist im Inland kaum noch handlungsfähig. Der neueste UN-Bericht über die Menschenrechtslage im Iran ist erschreckend: Mindestens 22 Frauen wurden demnach 2023 hingerichtet. Viele wurden nach willkürlichen Festnahmen vergewaltigt. Laut dem Bericht werde „sexuelle Gewalt von Staatsagenten völlig straflos als Waffe der Folter eingesetzt“. Das Ziel sei, „den Geist, das Selbstwertgefühl und das Gefühl der Würde der Demonstranten zu brechen, weitere Proteste abzuschrecken und sie zu bestrafen“, heißt es.

„Frauen können sich im Iran lange nicht mehr frei bewegen“, erzählt Sahar Sanaie. „Nicht mal in ihrem Auto sind sie unbeobachtet. Das Regime überprüft per Kamera, ob sie ein Kopftuch tragen. Wenn nicht, bekommen sie Drohungen per SMS, in denen sie aufgefordert werden, sich bei der Moralpolizei zu melden und ihr Auto abzugeben.“ Die Lage der Frauen im Iran ist erdrückend. Sahar Sanaie will die Hoffnung trotzdem nicht aufgeben. „Frauen spielen eine ganz entscheidende Schlüsselrolle in Demokratien – sie sind nicht nur Voraussetzung für eine freie Gesellschaft, sondern auch notwendig, um sie zu erhalten.“ Die Frauen, die trotz der Repressionen gegen das Regime ankämpften, würden das nicht für sich tun. „Sie protestieren für alle, die vom islamischen Fundamentalismus unterdrückt werden“, sagt Sanaie. Für alle, die überhaupt unterdrückt werden – nicht nur im Iran, sondern überall. KATHRIN BRAUN

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