München – Bayern und Griechenland haben schon eine besondere Beziehung. Allein weil der Freistaat wohl heute noch „Baiern“ heißen würde, wäre König Ludwig I. nicht so ein begeisterter Griechenland-Fan gewesen, dass er kurzerhand den griechischen Buchstaben Ypsilon in den Namen flickte. Er verwandelte auch die Landeshauptstadt in ein „Isar-Athen“, ließ den Königsplatz Anfang des 19. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Akropolis in Athen erbauen und setzte den 16 Meter hohen Monopteros in den Englischen Garten.
Womöglich ist die jahrhundertealte Freundschaft zwischen Griechenland und Bayern auch der Grund dafür, dass sich München zu einer griechischen Hochburg entwickelt hat: Rund 25 000 Menschen mit griechischem Pass leben hier – sie stellen nach den Kroaten die größte Bevölkerungsgruppe an ausländischen EU-Bürgern. Zählt man diejenigen mit deutschem Pass und griechischem Migrationshintergrund dazu, dürfte die Zahl noch deutlich höher liegen. In den 1960er-Jahren zogen tausende griechische Gastarbeiter vor allem in die Schwanthalerhöhe im Westen der Stadt.
Umso befremdlicher war für die griechische Community die „Grexit“-Debatte – die vor allem Markus Söder immer wieder befeuert hatte. Der damalige bayerische CSU-Finanzminister forderte lautstark wie kein anderer Politiker in Deutschland den Austritt Griechenlands aus der EU. „Für uns wäre das eine Katastrophe gewesen“, sagt Apostolos Kotsis, der seit 1998 in Haar lebt und dort die griechische Gemeinde gegründet hat. „Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was das für all die Griechen hierzulande bedeutet hätte, wenn wir nicht mehr Teil der EU gewesen wären.“ 2012 gründete er die griechische Gemeinde in Haar, um Griechen zu helfen, die wegen der Wirtschaftskrise ihr Land verlassen haben – etwa bei der Wohnungssuche oder bei Behördengängen. Mehr als 400 000 Griechen hatten zwischen 2008 und 2014 ihrem Heimatland den Rücken gekehrt. „Das ware vor allem junge, kluge Köpfe, die in ihrer Heimat keine Perspektive mehr gesehen haben“, sagt Kotsis.
Plötzlich habe alle Welt mit dem Finger auf die Griechen gezeigt, erinnert sich Kotsis. „Wir waren die Schuldigen. Das hat man auch im Alltag in Deutschland gemerkt: Man hat Griechen für faul und korrupt gehalten.“ Dabei habe sich Griechenland nur von seiner Krise erholen können, weil die Menschen dort „ihre Ärmel hochgekrempelt“ haben, sagt er. „Die meisten Griechen in Deutschland besuchen ihre Familie mindestens einmal im Jahr. Wir haben gesehen, wie schwierig das Leben für sie war: Alles wurde teurer und die Unzufriedenheit immer stärker.“ Viele Griechen hierzulande hätten seit Beginn der Krise wieder regelmäßig Geld an ihre Familien in der Heimat geschickt, sagt Kotsis.
Auch Georgios Siomos, Archimandrit der griechisch-orthodoxen Gemeinde in München, sagt: „Die Krise ist damals auch in München angekommen.“ Plötzlich seien die Griechen das schwarze Schaf Europas gewesen, klagt der gebürtige Hannoveraner, dessen Eltern aus Griechenland kommen. „Die griechische Community gehört sicherlich zu den am besten integrierten Gruppen in Deutschland“, meint er. „Wir sind ein fester Bestandteil Deutschlands. Dann darüber zu debattieren, ob wir überhaupt zur EU gehören, war schon schwierig.“
Das alles liege nun aber in der Vergangenheit, betont Siomos heute. „Inzwischen hatten wir ja fast jedes Jahr eine neue Krise. Griechenland hat heute ganz andere Probleme: Die alljährlichen Waldbrände, die vielen Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen.“ Glücklicherweise könne man diese Dinge heute in der EU gemeinsam angehen. KATHRIN BRAUN